Nachtgestalten beim Tagwerk

Fledermäuse, Folterwerkzeuge und falsche Zähne: Die Ausstellung Vampirmania will Wahrheit und Legende der Blutdürstigen ans Licht bringen. Die Macher setzen auf schaurige Exponate mit Gruseleffekt, der Informationsgehalt dagegen ist dünn

von BERT SCHULZ

Der Mann ist wirklich nicht der Inbegriff von Schönheit. Ein Hauch früher Schwarzenegger, diabolisch glänzende Augen und dann diese beiden vergoldeten Beißerchen: So also sieht der Berliner Paradevampir aus? Zumindest scheint das die Vorstellung zu sein, die sich Jan Schwalme von den Untoten macht. Er ist der Veranstalter der Ausstellung „Vampirmania“ und will „Wahrheit und Legende“ der Sagewesen ans Licht bringen. Dafür hat er ein 2.000 Quadratmeter großes Vampirdomizil in der Charlottenstraße in Mitte eingerichtet. Der Hollywood-kompatible Mann mit den Goldzähnen ist – stadtweit auf Plakaten auch tagsüber präsent – Schwalmes Aushängeschild.

Die Ausstellung setzt auf Gruseleffekte, gepaart mit einem Schuss Kommerz und schaurigen, bisweilen wild zusammengewürfelten Exponaten. Dazu ein wenig Information: Den ersten Teil bevölkern Fledermäuse aus aller Welt in Plastilin. Etwa ein südamerikanischer Flughund mit 1,7 Metern Spannweite. „Der greift sogar Rinder an“, erklärt Schwalme und hofft, dass sich die Besucher diese tödliche Attacke lebhaft vorstellen können. Denn die Beschreibung der Stücke ist dürftig. „Ich hätte mir mehr Informationen über die Tiere gewünscht“, meint Manfred Ade, der Leiter der Säugetier-Sammlung des Museums für Naturkunde, das Teile seiner Sammlung zur Verfügung gestellt hat.

Das Licht wird schwächer, die Stimmung düsterer, eine Toilettentür quietscht: Es geht Richtung Folterkammer, Teil zwei der Ausstellung. Eine Angestellte, die wie alle eine Mönchskutte als Schutzanzug trägt, verteilt „Vampirpässe“ zur Sicherheit. Die Fabelwesen hätten nicht nur ein bleiches Gesicht, sondern auch schlechten Atem, steht darin geschrieben. Gegen sie hilft immer ein Kreuz, eine Schusswaffe sollte dagegen immer mit Silbermunition gefüllt sein. Spätestens jetzt sollten sich die Kinder ihre fluoreszierenden Plastikgebisse einsetzen, die sie am Eingang bekommen hatten. Billig ist der Spaß übrigens nicht: „Einmal gruseln, nicht ganz umsonst“, meint lakonisch eine Besucherin, die zusammen mit ihren Sohn 26 Mark zahlte.

Wer beim Anblick mittelalterlicher Folterwerkzeuge schaudert und dies provozieren will, kommt auf seine Kosten. Hier eine monströse Streckbank, dort ein spitzes Nagelbrett, dazu ein Fallbeil: „Fast alles Originale“, betont Schwalme. Im Gegensatz zu den Plastikskeletten, die die Mordwerkzeuge dekorieren.

Erfrischung nach dem Schock gefällig? Dazu gibt’s die Vampirbar: Dort wird zwar kein Blut feilgeboten, aber immerhin leuchtet der Cola-Automat rot. Und wer will, kann sich reichlich mit Erinnerungsstücken eindecken. Mit Wein oder einem Foto mit Plastikmonster. Sogar das ausgestellte Schlafzimmer eines Prinzen ist käuflich: Ein Schild verweist auf ein Möbelhaus am Rande Berlins.

Ins Reich der Vampire, dem dritten Teil der Schau, führt der Weg über eine rot schimmernde Friedhofsbrücke. Dahinter lauern dunkel gekleidete Erschrecker und Erinnerungen an die Dynastie des Fürsten Vlad Dracula aus der Walachei. Einer seiner Söhne bekam später den Beinamen „der Pfähler“, weil er über 20.000 Türken auf diese Weise umgebracht und ihr Blut getrunken haben soll. Er gilt als Ursprung des Vampiraberglaubens.

Nicht alle Nachfahren des Fürsten leben von Blut und reisen in Leichenwagen. Etwa Ottomar Rodolphe Vlad Dracula Prinz Kretzulesco. Er wohnt in Brandenburg. Sein Rolls-Royce ist das letzte Ausstellungsstück dieser Schau. Zumindest vom Mythos Vampir lässt es sich ganz gut leben.