Apothekenskandal: Behörde greift durch

■ Als erste direkte Konsequenz des Bremer „Apothekenskandals“ verliert jetzt eine Apothekerin vorläufig ihre Approbation / Behörde bestätigt dass „Maßnahmen getroffen wurden“

Erstmals seit Bekanntwerden des „Apothekenskandals“ im Januar hat Gesundheitssenatorin Hilde Adolf (SPD) zu konkreten Maßnahmen gegriffen. Die Approbation einer Apothekerin aus dem Viertel wurde auf Anordnung der Behörde am 28. Juli mit sofortiger Wirkung vorläufig zum Ruhen gebracht. Damit darf sie ihren Beruf vorerst nicht mehr ausüben. Dies bestätigte der Rechtsanwalt der Betroffenen, Herbert Wartensleben. Die Apothekerin habe den Brief der Behörde gestern erhalten. Auch die Sprecherin von Senatorin Adolf bestätigte, dass gegen eine Inhaberin einer Apotheke „Maßnahmen getroffen“ worden seien.

Als Grund gibt die Behörde Falschabrechnung von Rezepten und Vorenthaltung von wichtigen HIV-Präparaten an. Der Rechtsanwalt kündigte an, beim Verwaltungsgericht Bremen noch diese Woche zu beantragen, die sofortige Vollziehung auszusetzen. Mindestens bis zu einem Votum des Gerichts darf die Frau ihren Beruf aber nicht mehr ausüben. Die Apotheke blieb gestern noch geöffnet: Die Anordnung der Behörde beziehe sich nur auf die Approbation, nicht aber auf die Apotheken-Betriebserlaubnis, erklärte der Anwalt. So könne die Besitzerin nun von einem anderen approbierten Apotheker vertreten werden.

Die Apotheke ist eine von fünf, denen vorgeworfen wird, an AIDS-kranken Junkies illegal viel Geld verdient zu haben. Junkies sollen Rezepte für 3.000-Mark-teure Aids-hemmende Medikamente wie „Retrovir“ für dreihundert Mark an die Apotheken verkauft haben. Die Apotheken gaben die Medikamente nicht aus, beantragten aber die Erstattung bei der Krankenkasse. Gewinn eines solchen Deals: 2.700 Mark. Zudem sollen die Betroffenen ihre Bücher über die Ausgabe von Betäubungsmitteln nicht ordentlich geführt haben.

Sowohl die Behörde als auch die Apothekerkammer erstatteten damals Anzeige. Die Staatsanwaltschaft ermittelt nun seit Monaten. Anklage gegen die Betroffenen ist aber immer noch nicht erhoben worden. „Die ganze Akte meiner Mandantin ist voller Gerüchte“ erklärt Anwalt Wartensleben, der nicht glaubt, dass es zu einer Anklageerhebung kommen wird.

Vielleicht erledigt sich das Problem auch von selbst. Nach taz-Informationen hat ein anderer der fünf verdächtigten Apotheker sein Geschäft im Viertel inzwischen verkauft und sich in den Ruhestand zurückgezogen. Auch sein Amt im Vorstand des Apothekervereins Bremen hat der Mann niedergelegt. Ein weiterer betroffener Apotheker aus der Neustadt soll seine Apotheke ebenfalls zum Verkauf angeboten und in der „Pharmazeutischen Zeitung“ ausgeschrieben haben, allerdings habe er keinen Käufer gefunden, hieß es aus gut unterrichteter Quelle. Die taz nennt die Namen der betroffenen Apotheken aus juristischen Gründen nicht – immerhin ist keine der Verdächtigungen bislang vor Gericht bewiesen.

Die Fraktionssprecherin der Grünen in der Bürgerschaft, Karoline Linnert, begrüßte gestern das Handeln von Senatorin Adolf. „Ich bin froh, dass nun klar wird, dass die Vorwürfe so stichhaltig sind, dass ein solcher Schritt gemacht werden kann“, sagte sie. Der Vorsitzende des Apothekervereins, Gerd Welge, wünscht sich, dass die Betroffenen verurteilt werden, falls sich die Vorwürfe vor Gericht erhärten. Der Präsident der Apothekerkammer, Richard Klämbt, sprach sich ebenfalls dafür aus, dass in der Angelegenheit „hart durchgegriffen“ werde. cd