Mainz bleibt Mainz

Das ZDF hat die Würstchenbude als Ergänzung seines Funktionsauftrages entdeckt: In zwei Jahren soll auf dem Lerchenberg ein Medienpark eröffnen

aus Mainz PEER SCHADER

Hat nicht jeder schon einmal davon geträumt? Captain’s Dinner auf dem Traumschiff – garantiert ohne Seegang, dafür in Originalkulisse mit Busanschluss zum Mainzer Hauptbahnhof. Nicht wirklich, meinen Sie? Macht nichts, das ZDF baut’s trotzdem. 28 Meter hoch, mit Restaurants und komfortablen Luxussuiten, in direkter Nachbarschaft zum Sendezentrum auf dem Lerchenberg. Und wenn Harry dann den Wagen vorgefahren hat, geht’s sofort weiter zum Real-Life-Krimi mit Uraltinspektor Derrick: Der geplante ZDF-Medienpark werde ein klasse „Sieg für Mainz“, lautet zumindest das Mantra von Anstaltsintendant Dieter Stolte.

Jüngeres Image

Außerdem, behaupten zumindest seine Befürworter, sei der öffentlich-rechtliche Alptraum vom dreidimensionalen Fernsehen für das als Seniorensender verspöttelte ZDF ein Eckpfeiler zur Image-Verjüngung: Im ZDF-Medienpark wollen die Mainzelmänner künftig die Bindung der Zuschauer ans Programm so richtig handfest werden lassen.

Doch glücklich geworden ist man beim ZDF mit dem Projekt bisher noch nicht. Die Pläne stehen, das Konzept ist da, die Absicht sowieso, das Geld scheinbar auch – nur die allgemeine Begeisterung lässt bisher auf sich warten: Mainz will den Sieg offenbar nicht mal geschenkt.

Was verständlich ist: Eigentlich hatte nämlich die Stadt dem ZDF den jetzt zu überbauenden Grund und Boden geschenkt. Dem Medienstandortwahn verfallen, hoffte eben auch die rheinland-pfälzische Landeshauptstadt durch die Errichtung weiterer Studio- und Produktionsflächen auf einen Aufschwung wie in Köln oder München. Was Landespolitiker wie Stadtväter vertrauensvoll übersahen: Der Staatsvertrag erlaubte dem ZDF kaum weitere Konzentration an seinem Hauptquartier. Auch Sat.1 ließ sich lange bitten, kam dann aber nur mit einem Teil des Senders und verlegte selbst den bis auf das Regionalprogramm jüngst endgültig nach Berlin.

Immerhin hat schon mal der Stadtrat mittlerweile zugestimmt. Schließlich will man es sich mit dem Arbeitsplatzgaranten und Prestige-Träger Zweites Deutsches Fernsehen nicht ganz verscherzen. Und immerhin soll später auch ab und an aus dem Medienpark gesendet werden.

Dass dieser neue Fernsehgarten allerdings etwas anderes wird als ein ganz normaler Freizeitpark, beteuert derzeit allein das ZDF: „Jede Attraktion hat eine Geschichte, die eng an das originäre Konzept der jeweiligen ZDF-Sendung angelehnt ist. Das unterscheidet den Medienpark von anderen Freizeitparks in Deutschland“, sagt Anke Schwarzwälder, Geschäftsführerin der Medienparkentwicklungsgesellschaft MPEG. Doch bedeutet es nichts anderes als eine Achterbahn mit TV-Hintergrund, wo sich im „Tivi“-Land künftig Kinder mit Drachenkumpel Tabaluga oder in der Welt von Bauwagenopa Peter Lustig amüsieren können. Im „Sportstudio“ wird „die Vielfalt des Sports“ am eigenen Leib durchlitten, Wissenswertes sollen eine „Sphinx“-Fahrt durch die Jahrhunderte und das „Knoff-hoff“-Wissenszentrum vermitteln. Einsamer Höhepunkt: der von den Besuchern selbst moderierte Wetterbericht für die heimische Videogalerie.

Hinter MPEG stehen die CxX Edutainment GmbH, ein Unternehmen des Cinemaxx-Kinobetreibers Flebbe und die für Programmverkauf und -lizenzierung zuständige Anstaltstochter ZDF Enterprises. Gemeinsam hat man die bisherigen Planungen finanziert, stolze 250 Millionen Mark soll die Fertigstellung kosten, sechs Millionen sind dann pro Jahr für den Unterhalt der Anlage kalkuliert.

TV-Gebühren tabu

Da das ZDF keine Fernsehgebühren-Gelder in das Projekt fließen lassen darf, sollen private Investoren ran. Wer das Geld springen lassen wird, will man in Mainz allerdings noch nicht verraten: „Die Verhandlungen laufen noch“, teilt Schwarzwälder mit. CxX Edutainment hat dem Vernehmen nach aber gute Karten, ZDF Enterprises wird sich eine Minderheitsbeteiligung sichern und leiht per Lizenzvertrag seine Programmmarken dann an den Medienpark-Betreiber aus.

Im Prinzip muss die Kulissenstadt jetzt nur noch gebaut werden. Doch trotz Stadtrat-O.K. geht es nur mühsam voran: Die Anwohner bereiten den Planern mehr Sorgen, als man auf dem Lerchenberg zugeben will. Die Bürgerinitiative Medienpark kämpft gegen erhoffte Verkehrsmassen und die zu erwartende Lärmbelästigung in den angrenzenden Wohnvierteln Drais und Lerchenberg. Mit Erfolg: Mehrfach mussten die Entwürfe nachgebessert werden.

Außerdem klagt die Konkurrenz: Zwar wurden die Einsprüche von Phantasialand (Brühl), Holiday Park (Haßloch) und vom Safaripark Stukenbrock in erster Instanz abgewiesen, doch die Berufung läuft. Die Freizeitparks sehen in der Errichtung des quasi-öffentlich-rechtlichen ZDF-Parks eine Wettbewerbsverzerrung. MPEG-Geschäftsführerin Schwarzwälder kommentiert solchen Konkurrenzneid eher pikiert: „Wir haben den Anspruch, den Besuchern Informationen mit auf den Weg zu geben, und damit die Unterhaltung mit Substanz und Inhalt aufzuwerten. In Deutschland ist es verpönt, sich nur zu amüsieren. Wir bieten unseren Gästen ein legitimiertes Amüsement.“ Wie viel das ZDF von diesem so hehren wie unscharfen Anspruch erfüllen kann, bleibt abzuwarten. Der konkrete Ausgang des Rechtsstreits düfte voraussichtlich prosaischer ausfallen: Bereits die Bottroper Movie-World des amerikanischen Film- und Medienmultis Warner Brothers konnte auf diesem Weg nicht von den traditionellen Freizeitparks verhindert werden.

Intendanten-Denkmal

In der bisher zweijährigen Park-Odyssee hat das ZDF ungewöhnliche Ausdauer bewiesen. Senderintern wird gemunkelt, Intendant Dieter Stolte wolle sich hier vor seinem möglichen Abgang im Jahr 2002 ein „Denkmal“ setzen. Auch ZDF-Kommunikationsverantwortlicher Walter Kehr sieht den Park lediglich als „effektives Marketinginstrument“, allerdings eines „mit Würstchenbude und Kinderbelustigung“ – und damit ja doch irgendwie auch als überdimensionierten Spielplatz.

Mit dem Funktionsauftrag des öffentlich-rechtlichen Fernsehens hat das Projekt jedenfalls nicht mehr allzu viel zu tun. Das Errichten eines Themenparks zur Bewerbung des eigenen Programms – so viel steht fest – entbehrt jeglicher staatsvertraglichen Grundlage. Es ist aber, wie die Prüfung durch Gremien und Gerichte ergab, auch nicht verboten. Und so nimmt’s denn auch die ARD gelassen:„Wir müssen nicht zu allem irgendetwas sagen“, heißt es lapidar bei der Geschäftsführung in Stuttgart.