Keine esoterischen Tänze

Die „Neuen Hexen“ sind überhaupt nicht so – sie sind ganz anders: ökologisch, liberal, engagiert und erdverbunden  ■ Von Petra Schellen

Wenn man hexen könnt', wär schon manchmal vieles leichter. Man könnte den bissigen Hund auf der anderen Straßenseite weghexen, den unangenehmen Vermieter gleicht mit - und sich selbst am bes-ten auf direktem Weg in ein fernes Urlaubsdomizil. Allein soo zauberkundig sind jene, die sich heute Hexen nennen, meistens auch nicht. Und auch die Sache mit dem frei schwebenden Besenritt in der Walpurgisnacht klappt nocht nicht so ganz: „Wir üben noch“, erklärt die Bremer Religionswissenschaftlerin Donate Pahnke, die sich seit 20 Jahren mit Hexenkulten befasst und, begleitend zur Hexen-Ausstellung, im Völkerkunde-Museum über Magie und Rituale Neuer Hexen sprechen wird.

Das breite Spektrum neuer Hexenkulte will sie an diesem Abend aufrollen und ein besonderes Augenmerk auf auf den Wiccakult richten, aus dem viele kleinere Bewegungen hervorgegangen sind. „Mit Hexerei und wahnhafter Raserei haben die meisten Hexenkulte überhaupt nichts zu tun“, betont sie; die meisten, die diesen Kult ausübten, folgten ihrem Bedürfnis nach einer ökologisch vertretbaren Religion, deren Rituale den direkten Kontakt zur Natur erlaubten – wie bei den zahlreichen Jahreszeiten-Ritualen wie Sommersonnenwende, Tagundnachtgleiche, Walpurgisnacht und Halloween.

„Bierernst nehmen die Beteiligten – großenteils Leute zwischen 35 und 55, also auch viele Alt-68-er – das alles nicht: Sie haben vielmehr Vergnügen daran, die Religion unserer Vorfahren wiederzubeleben und die Rituale einer Glaubensform zu praktizieren, die dem Christentum vorausging und bei der sie keiner äußeren Autorität folgen müssen“, betont Pahnke.

En vogue sind die Hexenkulte seit den 70-er Jahren, als Menschen auf einmal Spaß daran fanden, die Religion ihrer Vorfahren auszugraben, sich möglichst so zu kleiden wie sie – ein Brauch, der für Außenstehende ein bisschen nach Karnevalsveranstaltung klingt. So direkt möchte Pahnke diese Hypothese nicht bestätigen, aber „der Hexenkult hat tatsächlich viel mit Spaß und Sinnlichkeit zu tun und ist sehr spielerisch.“ Dafür sei diese Religionsform aber auch liberaler als das Christentum; es gebe keine Vorgaben bezüglich der Glaubensinhalte und religiösen Praktiken. „Priesterin kann zum Beispiel jede werden, die genügend persönlich Ausstrahlung hat, um Rituale zu leiten; darüber entscheiden dann die anderen Beteiligten.“

Mit speziell weiblicher Identitätsfindung haben diese Kulte, so glaubt Pahnke, weniger zu tun: „Praktizierende sind zwar zu drei Vierteln Frauen, aber das liegt wohl eher daran, dass Frauen spirituell aufgeschlossener sind.“ Natürlich gebe es auch die Satanisten – fast reine Männerbünde – und braun gefärbte Gruppierungen, „und die erstarken im Moment ganz gewaltig“. Die Spaltung der „Neuen Hexen“ in die „Polit-Frauen“ und die „Spiri-Frauen“ sei aber inzwischen überwunden: „In den siebziger Jahren haben die Politischen den Spirituellen vorgeworfen, eine rein esoterische Nabelschau zu betreiben. Die Spiris konterten mit dem Aktionismus-Vorwurf – Fronten, die inzwischen längst geglättet sind: Die Spiri-Frauen haben begriffen, dass es nichts bringt, immer nur entrückt ums Feuer zu tanzen oder dem Wasser zu huldigen, wenn sie dabei ausklammern, dass auf dieser Welt gleichzeitig eine gravierende Wasserverschmutzung stattfindet. Und dass sie auch dafür verantwortlich sind, die Elemente, mit denen sie arbeiten, zu schützen, weswegen sie anfingen, sich in Bürgerinitiativen und ökologischen Gruppen zu engagieren.“

Und die Polit-Frauen? „Die erkannten, dass sie auch einen spirituellen Rückhalt brauchen und dass sich beide Aspekte des Neu-Hexentums ja gar nicht ausschließen. Ob die Neuen Hexen satanistisch sind? „Die einzigen, die an den Satan glauben, sind die Christen und die Satanisten!“ Ja, dann...

Donnerstag, 19 Uhr, Museum für Völkerkunde