deutsche stilblütenpracht
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von HOLGER WICHT

„Der deutsche Aktienmarkt hat heute freundlich tendiert“, sagte das Autoradio, und ich tendierte belustigt. Wir waren in der Gegend um Karlsruhe unterwegs. Genau genommen traten wir einen alten VW-Bus Richtung Karlsruhe, aber Karlsruhe wich zurück. In solchen Fällen besucht man ja gern Autobahnraststätten – in der Hoffnung auf saubere Toiletten. Manche Menschen scheinen zu glauben, es handele sich bei sauberen Toiletten ausnahmslos um Märchen. Jedenfalls weisen die Betreiber einer Autobahnraststätte im Süddeutschen diesen Verdacht weit von sich: „Saubere Toiletten müssen kein Märchen sein!“ steht auf einem Schild im Vorraum der Waschgelegenheit. Und im Gastraum läßt sich trefflich über eine Rauchverbotsformulierung schmunzeln, sofern man mit Interpunktionsinteressierten reist. Auf den Tischen stehen Schildchen: „Wir bitten Sie hier nicht zu rauchen.“ – „Ist mir auch schon aufgefallen“, sagte ich. „Häh?“ sagten meine Mitreisenden, die keine Interpunktionsinteressierten waren. Ich hob zu umständlichen Erklärungen an: Ohne Komma bedeute der Satz eben auch, kein Raststättenbetreiber werde kommen, um freundlich zum Rauchen aufzufordern. Nur mit einem Komma hinter dem „Sie“ . . . Man muß wohl geistig dabeigewesen sein.

Kaum erklärungsbedürftig ist die Stilblütenpracht meiner Wohngegend. Die benachbarte Blumenbinderei ist dementsprechend nach farbenprächtigem Unkraut benannt: Sie heißt „Pusteblume“. Die Besitzerin firmiert zu allem Überfluß auch noch unter dem Namen Sabine Strauch, aber dafür kann sie natürlich nichts. Voll verantwortlich ist hingegen der Drechsler, der kurzfristig nebenan seine Dienste anbot. Laut Aushang im Angebot: „Blumentopfwandhalterungendeluxe“. Vor allem aber: „Vertiegung von Holzdildos“. Kennt jemand eine andere Bedeutung von Dildo als „Kunstglied“ beziehungsweise, wie es der Fremdwörterduden formuliert, „Penis aus Latex“? Eine Definition, die auch dann noch Sinn gebiert, wenn die „Anpassung diskret im Hinterzimmer“ erfolgt?

Sollte die Frau des orthographisch glücklosen Drechslers ihren Mann einmal nicht mit der Vertiegung von Holzdildos, sondern mit dem Kauf von Badelatschen beauftragt haben, stand der Mann vermutlich vor einem Problem. Genauer: vor einem Grabbeltisch im Kaiser’s-Verbrauchermarkt, voll mit Badelatschen für Frauen, die hier zwar günstig, jedoch als „Damen-Tieffußsandaletten“ feilgeboten wurden. Telefonisch wird er sich vergewissert haben, ob es sich um das gewünschte Schuhwerk handele – im Spätkauf gleich gegenüber. Dort wird man nämlich gleich am Eingang von einem Schild angeherrscht: „Benutzen Sie unser Münztelefon!“ Wer kann dazu schon nein sagen?

Ich. Per Handy rufe ich ein Taxi und lasse mich über Deutschlands Landstraßen kutschieren und halte Ausschau nach informativen Lastwagen. Irgendwo da draußen fährt einer herum, der per Werbeschriftzug mitteilt: „Wer Waldhelm sagt, meint Feuerverzinken.“ Als mir ein Informant davon berichtete, tendierte ich schallend lachend.