zoologie der sportlerarten
: PROF. HOLGER HIRSCH-WURZ über den Golfer

Unterschätzter Stockschwinger

Hirsch-Wurz, 94, ist ordentlicher Professor für Human- Zoologie am Institut für Bewegungs-Exzentrik in Göttingen

Der Golfer ist eine der am meisten unterschätzten und missverstandenen Spezies der modernen Sportwelt. Oft wird der homo schlaegerschwingensis gar nicht für einen wirklichen Körperertüchtiger gehalten, sondern für ein sichtlich angefettetes und manchmal auch angealtertes Stück Mensch, das sonst nicht weiß, was es mit seiner Zeit, mit Armen und Beinen und zufällig herumliegenden Bällen anfangen soll.

Diese vorurteilspralle Minderschätzung hat viele falsche Gründe. Im Bereich der Profi-Schwinger heißen sie Russell Clayton (die golfende US-Tonne) und in Britenlanden Colin Montgomerie oder Lee Westwood, die sich reichlich Wölbungen auf die Hüften trainiert haben: Mehr Masse gibt mehr Weite. Und sie neigen halt zu artfremd hoher Nahrungsaufnahme. In der sportiven Humanzoologie erleben wir diese Verhaltensweisen auch andernorts, etwa bei Turnerinnen. Nur eben umgekehrt. Hungerhaken dort, Hungerkraken hier.

Es sei denn, man heißt als homo schlaegerschwingensis Bernhard Langer, jener Mann vom alten Schlag, bei dem die Bälle auch durch Gebete ins Loch fallen. Oder sogar Tiger Woods: Schon der Name ist eine schöpferische Genial-Kombination aus Zoologie und Botanik, die im Nachnamen sogar noch sein liebstes Spielgerät bezeichnet: das eiserne Holz.

Auch außerhalb des erwerbsmäßigen Golfens ist der Schlägerschwingensiker mannigfaltigen vorurteilsbeladenen Kränkungen ausgesetzt – wie sonst in der Tierkunde höchstens die angeblich ekelnde Spinne oder der verabscheute Geier. Es heißt, Golfer trügen stets diese hässlichen karierten Hosen, die nur in Blindenwerkstätten geschneidert sein können, und ließen sich herrenmenschengleich von Sklaven, im Jargon Caddies genannt, ihre Spielzeuge apportieren. Nichts davon ist wahr, sehen Sie sich nur um auf den Fairways dieser Welt: Die wenigen wirklich karierten Hosen bestechen durch Witz, araartige Farbenvielfalt und ironische Noblesse; die Caddies sind Taschen und werden, außer bei Profis, auf Rollen spazieren geführt.

Golf, so heißt es schon in den großen alten Schriften der Humanzoologen, sei der stets zum Scheitern verurteilte Versuch, mit untauglichem und merkwürdig geformtem Besteck einen viel zu eigensinnigen Ball über viel zu große Entfernungen in ein viel zu kleines Loch zu befördern. Und sei ansonsten nur Tarnung für einen Spaziergang. Ja, kann denn ein Spaziergang mit gelegentlichem Einsatz als Schwingensiker weniger sein als ein Spaziergang ohne Kugel und Keule? Golfers Enthusiasmierungsgrad ist nach Lord Passion (1842–1901) derart hoch, dass jeder Aktive, einmal infiziert, „jede Wiese ohne Abschlag und Fahnenstock augenblicklich als wasted opportunity bezeichnet“ und reflexhaft fragt: „Warum hat hier noch niemand einen Platz angelegt?“

Dennoch halten manche den Golfsport für eine Art Müßiggang des Weltschnöseltums. Das widerlegt schon der US-Profi John Daly, dessen ungeschlachtes Tun, zeitweilig whiskeygespült, das Weltprolltum im Golfsport würdig vertritt. Nein, Golfers Tagwerk dauert mit vier bis sechs Wettkampfstunden länger als die meisten anderen Sportarten, die Schweißproduktion ist signifikant höher als bei den meisten deutschen Fußballnationalspielern, der Konzentrationskoeffizient allein beim Schach übertroffen. Eine Vorliebe reicher Bevölkerungsschichten kennen wir nur in golferischen Drittweltstaaten, etwa dem Entwicklungsland Deutschland. Könnte sonst der geizige Schotte die üppigste Aktivendichte und großzügigste Fairwayquote der Welt haben?

Nicht verhehlen wollen wir indes unsere empirischen Erkenntnisse aus der Sportpolitik. Hier hat sich in jüngster Zeit eine bedenkliche statistische Korrelation der Begriffe Fußball-WM 2006 und Golfspiel in Zusammenhang mit dem Namen Beckenbauer (homo franz) abgezeichnet. Der arme Südafrikaner scheint auch durch Spielrunden der Fifa-Wahlmänner mit dem deutschen Dunkelmann ausgetrickst worden zu sein. Solche Vorfälle sind es, die die prachtvolle Welt des homo schlaegerschwingensis immer wieder desavouieren. Ein Pfui aus unserem Elfenbeinturm in die Niederungen solchen Golf-Missbrauchs! Am besten lebenslange Disqualifikation für homo franz. St. Andrews, ermitteln Sie!

Wissenschaftliche Mitarbeit:

BERND MÜLLENDER