Denke! Lebe!

Die Bewegung Otpor streitet mit erhobener Faust und kurzen Slogans

von JASMINA NJARADI

Da stehen sie wieder, in kleinen Gruppen, mit Flugblättern bewaffnet und zu allem entschlossen. Heute sind die Studenten ins südserbische Nis gekommen, schon morgen wird es eine andere Stadt sein. Über die Aktionsorte wird kurzfristig entschieden, ein längerer Vorlauf würde nur Polizei- und Sicherheitskräfte auf den Plan rufen.

Auf ihren T-Shirts prangt in großen Lettern das Wort „Otpor“ – Widerstand. Immer wieder ist die erhobene Faust – ihr Symbol – zu sehen. Und dann ertönt ein Lied, ihre Hymne. „Du sagst über uns, wir seien vom Ausland bezahlte Verräter, Faschisten, Anarchisten und Räuber. Doch du lügst, Slobo, und deine Nase wird immer länger, denn wir würden für Serbien unser Leben geben. Mit dir haben wir keine Zukunft, deswegen höre, was wir dir sagen: Rette Serbien, bringe dich um, Slobodan, Slobodan!“

Zwar hat Jugoslawiens Staatspräsident den Studenten diesen Gefallen noch nicht getan, aber dennoch: Wenn heute von der serbischen Opposition die Rede ist, fällt der Name „Otpor“ als Erstes. Längst hat die bunte Truppe die chronisch zerstrittene, serbische Parteienopposition von den vorderen Zeitungsseiten verdrängt. Und Otpor beizutreten ist für viele Jugendliche heute so „in“ wie ein neues Parfüm oder Markenturnschuhe. Junge Leute auf den Schulhöfen reißen sich um die Anstecker mit der geballten Faust und den kurzen Slogans: „Protest! Erhebe dich! Arbeite! Denk nach! Lebe!“

An diesen Erfolg hätte vor zwei Jahren noch niemand gedacht. „Zersetze das System – lebe den Widerstand“, hatten damals Belgrader Studenten auf ihrem ersten Flugblatt gefordert und damit gegen das neue Bildungsgesetz und die Entlassung einiger Dutzend Professoren der Belgrader Universität demonstriert.

Dies war die Geburtsstunde der Studentenbewegung Otpor. An der „Mauer der Wahrheit“, auf dem Platz vor der Philosophischen Fakultät in Belgrad, wurden kritische Artikel unabhängiger Journalisten veröffentlicht. Bereits damals wurde die Maxime ausgegeben, an der sich bis heute nichts geändert hat: gewaltloser Widerstand, gepaart mit kreativen Ideen und ungewöhnlichen Mitteln.

In Aleksandrovac warben die Otpor-Streiter für ein Schädlingsbekämpfungsmittel mit dem Namen „Otporin“. Während einer Schulabschlussfeier in Zajecar übergaben sie einem anwesenden Lokalpolitiker eine Auszeichnung für seine politischen Fehltritte, was alle Anwesenden so schockierte, dass sie den Saal verließen. Weil Vertreter des serbischen Regimes derzeit nur noch in Nordkorea willkommen sind, stellten sie in Novi Sad Wegweiser nach Pjöngjang auf.

Auch einem anderen Grundsatz ist die Bewegung, die rund 20.000 Aktive in über 140 Städten zählt, bis heute treu geblieben: Sie will sich weder als festgefügte Institution noch als Partei verstanden wissen und schon gar nicht vereinnahmen lassen.

Mittlwerweile dämmert es auch den etablierten Vorzeigeoppositionellen, dass Otpor zu einer Geheimwaffe werden könnte. Da ist es kaum erstaunlich, wenn so mancher auch etwas vom Ruhm der jungen Wilden abbekommen möchte. Seine Partei arbeite gut mit Otpor zusammen, betont Anton Kaic von der Sozialdemokratischen Liga der Vojvodina (LSV): „Seit einigen Monaten tragen wir einen Wettbewerb aus, wer die größere Zahl verhafteter Mitglieder zusammmenbekommt. Doch wir haben keine Chance, Otpor einzuholen, denn sie arbeiten in ganz Serbien, wir nur in der Vojvodina.“