Mutmaßlicher Schläger im Amt

Thorsten Crämer sitzt eigentlich für die NPD im Stadtrat von Schwelm, gerade jedoch in U-Haft

BERLIN taz ■ Im nordrhein-westfälischen Schwelm brauchte es kein Parteiverbot, damit die NPD an den Sitzungen des Stadtrats bis auf weiteres nicht mehr teilnehmen kann: Der NPD-Ratsherr Thorsten Crämer (25), erst im vergangenen September in das Kommunalparlament gewählt, sorgte ganz allein dafür. „Der Herr Crämer“, heißt es bei der zuständigen Staatsanwaltschaft in Wuppertal, sitze seit Mitte Juli in Untersuchungshaft, gegen ihn sei eine Anklage wegen Körperverletzung und Landfriedensbruch in Vorbereitung.

Der Vorsitzende des NPD-Bezirksverbands Westfalen-Süd soll zu der bewaffneten Skinheadgruppe gehört haben, die am 9. Juli eine Gedenkfeier am Mahnmal für die KZ-Opfer von Wuppertal-Beyenburg überfiel und mehrere Menschen mit Baseballschlägern und Schlagringen zum Teil schwer verletzte.

Bereits in den Wochen zuvor war das Wuppertaler KZ-Mahnmal mehrfach geschändet worden. Sieben der acht tatverdächtigen Erwachsenen befinden sich inzwischen in Untersuchungshaft; über die Strafen für drei Jugendliche und Heranwachsende wird das Jugendschöffengericht in Wuppertal am 10. August verhandeln.

Crämer, der den Einzug in den Schwelmer Stadtrat vor einem Jahr dank dem Wegfall der Fünfprozentklausel geschafft hatte, galt bisher „als ruhiger Typ, als einer, der die Strippen zieht und die anderen schlagen lässt“. So jedenfalls beschreibt ihn der Schwelmer SPD-Fraktionschef Klaus Kramer.

Durch „große Reden“ sei er nie aufgefallen, berichtet der Grüne Marcel Gießwein. Eher durch seine sonstigen Aktivitäten: Thorsten Crämer gilt als einer der führenden Köpfe des „Deutschen Kulturwerks“ in Nordrhein-Westfalen, eines „parteiunabhängigen Zusammenschlusses von volkstreuen und kulturell interessierten Deutschen“, bei dem Referenten aus der extremen Rechten gern gesehene Gäste sind. Im nordrhein-westfälischen Kommunalwahlkampf war Crämers Handy die zentrale Telefonnummer der NPD-Wahlkampfleitung.

Die Nationaldemokraten, die laut Verfassungsschutzbericht in NRW rund 650 Mitglieder zählen, schafften es mangels Personal und Unterstützerunterschriften zwar nur im Ennepe-Ruhr-Kreis, im Märkischen Kreis, im Rhein-Sieg-Kreis und in der Stadt Schwelm, Kandidaten aufzustellen, holten aber, mit Ausnahme des Märkischen Kreises, überall, wo sie zur Wahl angetreten waren, jeweils ein Mandat.

Ob Thorsten Crämer seines weiterhin wird ausüben können, gilt als fraglich. In Handschellen, teilte die Staatsanwaltschaft mit, werde man ihm die Teilnahme an der nächsten Ratssitzung Mitte September jedenfalls nicht gestatten. HEIKE HAARHOFF