Radeln gegen den Tour-de-France-Sieger

■ Bei den Cyclassics kämpfen die Profis um Weltcup-Punkte, die Jedermann-Fahrer mit sich

So ganz geheuer ist Erik Zabel das Weltcuprennen in Hamburg nicht. Denn einen Favoriten für die HEW-Cyclassics am Sonntag gibt es nicht. „Das ist ein Kurs, da kann es schon mal eine Überraschung geben“, sagt der Telekom-Kapitän Zabel. Schließlich erinnert er sich noch gut an das vergangene Jahr, als in der Schlussphase am 16 Prozent steilen Waseberg eine Spitzengruppe enteilte und weder der Unnaer noch einer seiner Telekom- Teamgefährten dabei war. Tagessieger wurde der nahezu unbekannte Italiener Mirco Celestino. Darum setzt der mit weitem Abstand Führende im Gesamt-Weltcup auf gute Zusammenarbeit mit seinen Kollegen in den magentafarbenen Trikots: „Unser Team darf auf dem langen Kurs nicht den Überblick verlieren, vor allem nicht beim komplizierten Finale vor, auf und hinter dem Waseberg.“

Bevor jedoch der beste Sprinter bei den vergangenen fünf Tours de France sich vorzeitig als weltbester Tagesfahrer feiern lassen darf (und nebenbei als Sieger in Hamburg 19.000 Schweizer Franken Preisgeld verdienen könnte), muss er auf dem 251 Kilometer langen Rundkurs vor allem auf seinen Verfolger Andrej Tchmil vom Team Lotto, aber auch auf die Ein-Tages-Spezialisten wie den Belgier Johan Museeuw oder Sprinter wie Tom Steels (beide Mapei) und Mario Cipollini (Saeco) bei dessen ersten Start in der Hansestadt achten. Doch auch die Konkurrenz aus dem eigenen Land ist nicht zu verachten: Marcel Wüst, der seinen 33. Geburtstag am Sonntag mit einem Sieg feiern möchte, kann sich den Zusatz „Etappensieger bei der Frankreich-Rundfahrt“ auf seine Visitenkarte schreiben.

Eines aber ist sicher: Wer auch immer sich als Führender in die Siegerliste einträgt, er wird gewiss nicht der Erste sein, der die Ziellinie in der Mönckebergstraße überfahren haben wird. Denn wie seit der ersten Ausgabe der Cyclassics 1996 müssen die Radprofis einem riesigen Pulk von Jedermann und -fraufahrern hinterherjagen. 10.500 Hobby-SportlerInnen haben sich auch dieses Jahr wieder angemeldet, um es je nach persönlicher Fitness über drei Streckenlängen – 60, 110 oder 170 Kilometer – ihren Vorbildern auf den Rennmaschinen gleichzutun. Wie jedes Jahr ist der älteste Teilnehmer Hans Tiedecks, Jahrgang 1923. Und ebenfalls wie jedes Jahr freuen sich die Veranstalter von der Agentur upsolut über jede Menge Prominenz auf Hamburgs Straßen.

So lässt es sich Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) nicht nehmen, seine Bodyguards mit auf den Asphalt zu nehmen, jugendliche Fans freuen sich über Joey Kelly von der gleichnamigen Family, der sich inzwischen auch als Extremsportler und Triathleth einen Namen gemacht hat. Schon Tradition hat der Auftritt vom ehemaligen Manager des FC St. Pauli, Helmut Schulte. Er geht in diesem Jahr zum fünften Mal auf die 60-Kilometer-Strecke. Und wenn es sich einer wirklich beweisen will, soll er sich mit Bjarne Riis messen. Der Däne hat immerhin 1996 die Tour de France gewonnen.

A propos Namedropping: ein Name darf natürlich nicht fehlen, wenn es um Radsport in Deutschland geht. Ja, auch Jan Ullrich, der Zweite der diesjährigen Tour de France, wird bei den Profis mit an den Start gehen. Der Rostocker – da kommt er her – oder Merdinger – da wohnt er – oder Hamburger – da hat er einst gelebt, und so kann ihn jeder einer präferierten Region zuordnen – hat in diesem Jahr keine Ambitionen auf den Sieg wie noch 1997, als er ganz oben auf den Treppchen stand. Dieses Mal will er sich ganz seinem Kollegen Zabel unterordnen und ihm helfen, zu siegen. Dennoch kommt man an Ullrich nicht vorbei, schließlich ist er Deutschlands Radler Nummer Eins und damit auch der beste Werbeträger für diesen Sport. Darum signieren die beiden zusammen morgen im Kundenzentrum des Namenssponsors HEW in der Spitaler Straße 22 ab 16 Uhr gemeinsam das Buch Tour de France (39,80 Mark mitbringen!).

Eberhard Spohd

Die Jedermann-Rennen beginnen am Sonntag um 9 Uhr (110/170 Kilometer) und 10.20 Uhr (60 Kilometer), das Weltcup-Rennen startet um 11.30 Uhr. Die Profis werden schätzungsweise um 17.25 Uhr das Ziel erreichen. Start und Ziel in der Mönckebergstraße