Eine Kegelhalle mit NS-Vergangenheit

Von den rund 1.000 Berliner Lagern für Zwangsarbeiter ist nur eines erhalten. Geschichtswerkstatt will dort ein Dokumentationszentrum einrichten

Die zwölf Baracken des Zwangsarbeiterlagers in Niederschöneweide entstanden 1943 aus Trümmerschutt und Beton. Heute sind einige von ihnen fast ungenutzt im wilden Wein verschwunden. Andere dienen Autohändlern und Handwerkern als Geschäftssitz. Dort wurden Fassaden geändert und Anbauten vorgenommen. Doch das soll jetzt ein Ende haben: Das Gelände steht seit kurzem unter Denkmalschutz. Es ist die letzte vollständige Anlage eines Zwangsarbeiterlagers in Berlin. Rund 1.000 hat es davon insgesamt in der Stadt gegeben.

Die Zwangsarbeiter aus Italien und Osteuropa, die während der NS-Zeit in Niederschöneweide untergebracht waren, unterstanden Generalbauinspektor Albert Speer. Der hatte zu diesem Zeitpunkt das Germania-Projekt zum Umbau Berlins längst aufgegeben. Zu den Aufgaben der Arbeiter gehörten der Luftschutzbau und die Enttrümmerung. Bis zu 2.000 Menschen konnte das Lager aufnehmen. Weitere Lager befanden sich in der Nähe, oft notdürftig aus Brettern errichtet. Von dort wurde die Rüstungsindustrie in Oberschöneweide mit Arbeitskräften versorgt. In ganz Berlin waren mehr als 500.000 Zwangsarbeiter eingesetzt.

Die Entschädigungsdebatte habe zwar endlich zu einer Auseinandersetzung mit diesem Kapitel deutscher Vergangenheit geführt, sagt Gisela Wenzel von der Berliner Geschichtswerkstatt. Doch die Schicksale der Menschen seien weithin unbekannt. Wer aus der Ukraine als Zwangsarbeiter nach Deutschland verschleppt wurde, galt bei der Rückkehr in die Heimat häufig als Volksverräter. Heute erhielten viele von ihnen bestenfalls eine kleine Rente, die zum Leben kaum ausreicht, schildert Gisela Wenzel die Situation von vielen.

Um über diese Schicksale zu informieren, setzt sich die Geschichtswerkstatt für die Einrichtung einer Gedenkstätte mit einem Dokumentationszentrum in sechs Baracken des früheren Lagers ein. Zu DDR-Zeiten gehörten sie zu einem Impfstoffwerk. Heute verfügt das Bundesgesundheitsministerium darüber, nutzt das Areal aber nicht. Mit dem Dokumentationszentrum könne ehemaligen Zwangsarbeitern auch bei der Identifizierung der früheren Arbeitsplätze und dem Nachweis ihrer Beschäftigung geholfen werden, betont Wenzel.

Zu DDR-Zeiten war das Wissen über das Zwangsarbeiterlager fast gänzlich verschwunden. Nur wenige ältere Anwohner, die von ihren Balkonen auf das Gelände schauen, erinnerten sich. Nicht wenige wollen die Vergangenheit verdrängen – wie der Autohändler, der expandieren und anbauen möchte.

Aber auch für die Gäste der alten Kegelhalle, die sich noch aus DDR-Zeiten mit dem Namen „Völkerfreundschaft“ schmückt, ist die Geschichte Nebensache. Dabei gibt es keinen besseren „Zeugen“ als die frühere Zwangsarbeiterbaracke, die die Jahrzehnte fast unverändert überlebt hat. HARMUT LORENZ (EPD)