Strafloser Aufruf

Desertionsaufruf per Plakat. Mitglied der Kampagne gegen Wehrpflicht in zweiter Instanz freigesprochen

Der wegen Beleidigung, öffentlicher Aufforderung zu Straftaten und verfassungsfeindlicher Verunglimpfung von Verfassungsorganen verurteilte Ralf Siemens wurde gestern vom Landgericht Berlin in zweiter Instanz freigesprochen. Im Juli 1999 war er zu 40 Tagessätzen à 30 Mark verurteilt worden.

Siemens, Mitglied der Kampagne gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär ist für ein Plakat verantwortlich, das mit den Worten „Es gibt viel zu tun. Packen wir’s an. Ja. Morden“ und den Porträts der Politiker Gerhard Schröder, Rudolf Scharping und Joschka Fischer zur Desertion aus allen kriegsführenden Armeen aufrief.

In der Urteilsbegründung wertete das Gericht die Plakataussage als politische Meinungsäußerung im Sinne des Grundgesetzes. Da das Plakat nach dem Angriff der Nato gegen Jugoslawien aufgehängt wurde, sei es ein politisches Ausdrucksmittel gewesen.

Zuvor hatte das Gericht drei Beweisanträge des Verteidiger von Siemens, Matthias Jahn, abgelehnt. Darin hatte er unter anderem darauf hingewiesen, dass die Nato per Flugblätter serbische Soldaten zur Desertion aufgerufen habe. „Wenn aber der massenhafte Desertionsaufruf eines Sicherheitssystems der Friedensbewahrung dient, kann die entsprechende Handlung meines Mandanten wohl kaum den Gemeinschaftsfrieden gefährden“, argumentierte Jahn. Trotz des Freispruchs geht das Gericht davon aus, dass es zu Verhandlungen in weiteren Instanzen kommen wird.

MAJA SCHUSTER