vom glück auf dem land von WIGLAF DROSTE
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Wer auf dem Land aufwuchs und von dort floh, weiß, was das Land ist: Idylle = Hölle = Idylle. Das Landleben hat etwas Geisttötendes, mitleidlos Auslöschendes. Aber ab und zu tut es der alten Rübe wohl, wenn sie am Wiesengrund gelüftet wird.

Auf dem Land kommt man auf gute Gedanken. Man kann die ruhige Weltkugel schieben und friedvolle Werke tun. Zum Beispiel ein Ameisennest hinter dem Kühlschrank stilllegen. Mit Backpulver, denn die alten Hausrezepte sind die besten. Man lässt ein paar Tüten Backpulver auf die Ameisen herabrieseln und sieht ihnen beim Sterben zu. Es dauert ein bisschen, und es ist nicht so erhebend blutvoll wie ein patriotischer Film – es ist eben die kleine Landversion. Aber die reicht aus, um auf nützliche Weise in den Tag zu kommen. Man sitzt im Schlafrock neben dem kleinen Ameisengemetzel, trinkt Kaffee und überlegt, wie man es technisch hinkriegen könnte, mit Hilfe von Backpulver auch Atomkraftwerke für immer zu schließen. Sinnloser als Rot-Grün wählen und fleißig beten ist das auch nicht.

Nicht nur Ameisen bedrücken als Plage das Land. Auch die Nacktschnecke macht sich breit. Weich und schleimig kraucht sie auf allen Wegen, fläzt sich fett auf Feuerholz herum und ist nicht einmal essbar. Im Gegenteil: Die Nacktschnecke wird zur Nahrungskonkurrentin. Schmatzend befällt sie den schmackhaften Perlpilz, vertilgt den Rotfußröhrling, den Steinpilz wie den Goldröhrling, den man auch den Alfred Biolek unter den Pilzen nennt, denn wie dieser schleimt er beim Kochen. Giftiges und Ungenießbares wie den Samtfußkrempling und den Pantherpilz ignoriert die Schnecke und macht sich frech noch über Riesen- und Safranschirmlinge her. „Toadstools“, also Krötenschemel nennt der pilzängstliche Brite alle Pilze außer den langweiligen Champignons, die er als „Mushrooms“ verehrt und verzehrt. In Wahrheit aber lungert auf dem Pilz nicht die Kröte, sondern der Schneck.

Von Schnecken unbehelligt allerdings fand ich eine Kolonie Faltentintlinge. Ich geriet in Euphorie. Der Faltentintling ist, jung gegessen, wohlschmeckend, aber das war nicht der Grund für meinen Jubel. In Verbindung mit Alkohol ist der Faltentintling tödlich giftig. Von Kennern wird er deshalb auch Verwandtenpilz genannt.

Kaum war der Pilzkorb gefüllt, trommelte ich die Verwandtschaft zusammen. Ich holten den besten Roten aus dem Keller. Hier sollte nicht am falschen Ende gespart werden. Die Blase rückte an, komplett mit Kind und Kegel, und ich bewirtete sie üppig. Schwierigkeiten gab es nur, als einige Mütter meinten, die Kinder dürften noch keinen Alkohol trinken. „Ach komm, zur Feier des Tages nur ein Viertelgläschen“, bat ich und zerstreute freundlich alle Einwände. Dem Faltentintling reicht ein Viertelgläschen.

Selbst trank ich keinen Tropfen, nahm aber reichlich von den Pilzen, was sich bei der Polizei als klug erwies. Die Untersuchung meines Mageninhalts wurde mit den 13 Obduktionsberichten abgeglichen. Ich durfte gehen und machte mich auf den Heimweg in die Stadt. Das Landleben ist manchmal einfach zu geruhsam.