piwik no script img

Läuft. Vorläufig.

Dieter Baumann hat den DLV schwindlig gemacht und darf wohl endgültig nach Sydney. Nun ist Uta Pippig dran

MONTE CARLO/BERLIN dpa/taz ■ Natürlich ist der Anwalt von Dieter Baumann sehr zufrieden: „Eine sportpolitisch salomonische Entscheidung“, nannte Michael Lehner gestern die Entscheidung des Councils des Leichtathletik-Weltverbands IAAF aus Monte Carlo vom Mittwochabend. Niemand verliere das Gesicht, sagte er. Ja, Dieter Baumann wird in Sydney laufen. Baumann selbst, der während der entscheidenden Verhandlung daheim in Tübingen beim Training beschäftigt war, sagt: „Es ist gut, mehr Sicherheit zu haben, planbare Sicherheit.“ Aber er läuft auch unter Vorbehalt. Heißt: vielleicht nachträglich außer Konkurrenz. Denn es kann passieren, dass Baumann nach Olympia rückwirkend suspendiert wird. Der Vizepräsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes, Clemens Prokop, sieht schon „ein Horrorszenario“ voraus: „Dieter Baumann gewinnt eine Medaille und wird anschließend verurteilt.“

Rechtslage und Procedere sind immer undurchsichtiger und absurder geworden. Zuletzt gab es kaum mehr eine Meldung zu Dieter Baumann, die ohne weitschweifigen konjunktivischen Schlenker auskam und diverse verschachtelte Wenn-dann-Szenarien. So auch jetzt. Und dennoch ist der momentane Stand ganz einfach: Dieter Baumann wird starten, weil das Gremium, das ihn sperren könne, voraussichtlich nicht mehr vor Olympia zusammentritt.

Sicher aber ist: Die Zahnpasta-affäre um den Langstreckenläufer wird vor das Arbitration Panel (Schiedsgericht) der IAAF kommen. Mit dieser Entscheidung widersetzte sich das Council dem Freispruch des Rechtsausschusses des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV).

Und: Der Freispruch des DLV-Rechtsausschusses vom 13. Juli wurde vom internationalen Verband als fehlerhaft eingestuft. Dadurch ist der DLV vom Ankläger zum Angeklagten geworden. Mit der Entscheidung seines Councils, das Schiedsgericht anzurufen, hat der Weltverband IAAF die deutsche Federation in Verlegenheit gestürzt. „Der DLV ist Verfahrensgegner der IAAF. Das ist das eigentliche Problem. Es ist eine Maßnahme gegen den Athleten, aber Betroffener ist der Verband“, urteilte Clemens Prokop. Was die Baumanns nicht so sehr tangiert: „Ich finde die Entscheidung toll“, sagt Ehefrau und Trainerin Isabelle. „Wir können damit ganz gut leben. Für uns ist es wichtig, dass jetzt alles klar ist und wir richtig auf Sydney hin trainieren können.“

Das 20-köpfige IAAF-Council hätte Baumann auch selbst vorsorglich suspendieren können. Das Gremium verzichtete wohl auch deshalb darauf, weil die positiven Proben Baumanns noch vom vergangenen Jahr stammen. Bisher jedenfalls wurde diese Regelung nicht rückwirkend angewandt.

Dem DLV steht unterdessen ein weiterer kniffliger Fall bevor. Am Wochenende berät das Schiedsgericht des Deutschen Sportbundes (DSB) über den Dopingfall der Marathonläuferin Uta Pippig.

Kommt das dreiköpfige Gremium unter Leitung des Vorsitzenden Richters am Bundesgerichtshof, Eike Ullmann, zu einem anderen Urteil als der DLV-Rechtsausschuss, der eine zweijährige Sperre ausgesprochen hat, steht dem DLV eine Schadensersatzforderung der Athletin ins Haus. Pippig, die vehement ihre Unschuld beteuert, hat schon angekündigt, den zivilrechtlichen Schritt auf jeden Fall gehen zu wollen. Ähnliches hatte zuvor auch Dieter Baumann verlauten lassen.

Der DLV befinde sich nunmehr an der Grenze des rechtlich Leistbaren, wie sein Präsident Helmut Digel schon mehrfach betont hat. Indes: Mit einem Urteil rechnet der Schiedsgerichtsvorsitzende, der das erste Mal einen Sportfall behandelt, am Wochenende „auf keinen Fall“. MÜLL

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen