18, 19, 20, nur nicht passen

So wird die Saison, die wird (Teil 3: VfL Wolfsburg): Im UI-Cup gegen Auxerre ausgeschieden, setzt der Klub auf Youngster, finanziell auf das Autohaus vor Ort und eine neue „VfL-Fußball-GmbH“

Fan-Hoffnung: „Jetzt noch im DFB-Pokal rausfliegen, dann läuft’s in der Liga“

aus Wolfsburg ANDREAS PAHLMANN

Da kann man dann doch neidisch werden. Denn so einen wie Djibril Cissé haben sie hier nicht. Nicht in der Bundesliga, schon gar nicht in Wolfsburg. 18 Jahre ist er alt, sieht mit seinen gefärbten Haaren ein bisschen aus wie Dennis Rodman, ist mit Frankreich gerade U-18-Europameister geworden und hat die internationalen Träume des VfL Wolfsburg zumindest für diese Saison beendet. In der Verlängerung erzielte der beeindruckend schnelle Stürmer am Mittwoch das 2:1 für den AJ Auxerre in Wolfsburg, die Franzosen ziehen damit in eines der drei UI-Cup-Endspiele ein.

In Auxerre, wo sie zur Förderung der Nachwuchskicker eigens eine Fußball-Halle errichtet haben, so groß wie ein halbes Freiluft-Spielfeld, ist Cissé nicht einmal der Star im Angriff. Denn der heißt Stephan Guivarc’h, war 1998 Weltmeister und in Wolfsburg gesperrt. „Mit ihm“, so hatte VfL-Trainer Wolfgang Wolf schon vor dem Anpfiff geahnt, „wäre Auxerre berechenbarer“. Aber einen 18-Jährigen auf der Rechnung zu haben, das ist man eben in Deutschland nicht gewohnt.

In Deutschland heißen die 18-Jährigen zurzeit hauptsächlich Benjamin, waren auch bei der U-18-EM und sind froh, wenn sie in einem Bundesliga-Verein mal auf der Bank sitzen dürfen. Wolfsburg hat auch so einen. Benjamin Siegert heißt der, ist eigentlich Berliner und schaffte den Sprung aus der A-Jugend in den Profi-Kader. Eingesetzt wurde er bisher nur in Testspielen auf dem Dorf, gehörte da aber stets zu den Auffälligen.

Siegert steht für einen neuen Trend beim VfL. Denn mit Martin Wagner, Didi Kühbauer und Tomislav Maric wurden nur drei etablierte Spieler geholt. Der Rest fällt unter die Rubrik „Jung mit Perspektive“: Andreas Voss, 21; Simon Fahner, 22; Sven Müller, 20; Stephan Loboué, 18, Mike Busch, 19. Die, die noch vor zwei, drei Jahren als hoffnungsvolle Talente beim VfL galten, mussten dafür gehen, in die 2. und 3. Liga. Angesichts der neuen Youngster meint der frisch gekürte Kapitän und Torwart Claus Reitmaier sogar: „Wenn es heißt, dass es in Deutschland keine Talente mehr gibt, dann sind wir die einzigen, die welche geholt haben ...“ Beim Trainer klingt das etwas nüchterner: „Die Qualität unserer jungen Leute hat sich entscheidend verbessert.“

Und damit auch die Leistungsdichte. „Die Konkurrenz ist groß wie nie“, meint Wolf. „Ich habe quasi 18, 19, 20 gleichwertige Spieler.“ Mit diesem Kader wäre der VfL im Vorjahr vorbereitet gewesen auf die Dreifachbelastung aus Uefa-Cup, DFB-Pokal und Bundesliga. „Ohne den Uefa-Cup im letzten Herbst“, glaubt der Trainer zu wissen, „wären wir in der Liga ein paar Plätze weiter oben gelandet.“ Kein Wunder also, dass ein Fan auf der alten Wolfsburger Haupttribüne am Mittwoch nach dem UI-Cup-Aus vor sich hin murmelte: „Jetzt noch im DFB-Pokal rausfliegen, dann läuft’s wenigstens in der Bundesliga.“

Dort, in der Bundesliga, sollte es am besten so laufen wie zur Zeit im Umfeld der Mannschaft. Es geht nämlich voran. Der Bau eines neuen Stadions ist auf den Weg – mit 22.000 Sitz-, 8.000 Stehplätzen, Logen, modernstem Standard. Knapp 100 Millionen Mark soll es kosten, die Hälfte zahlt die Stadt. Die andere Hälfte bringt der Verein auf. Aber das rechnet sich, hat Fußball-Geschäftsführer Klaus Fuchs festgestellt. Fünf Millionen muss der Verein nach dem Stadionbau jährlich für Zins und Tilgung ausgeben. Die neue Arena soll aber weit größere Mehreinnahmen bringen. Fuchs: „Das funktioniert – schon bei gleich bleibender Zuschauerzahl hätten wir durch den größeren Anteil an Sitzplätzen die fünf Millionen wieder raus.“

Baubeginn für das neue Stadion ist im kommenden Frühjahr, an der neuen Kapitalgesellschaft wird bereits gebastelt. „VfL-Fußball-GmbH“ soll sie heißen, bis Jahresende gegründet sein. Sponsor Volkswagen darf dank DFB-Ausnahmegenehmigung Mehrheitseigner werden. Was VW erwartet, hat Lothar Sander, Volkswagen-Markenvorstand und Aufsichtsratschef der Wolfsburger Profis, gerade im Fernsehen formuliert. „Irgendwann wollen wir Meister werden.“ Wahrscheinlich hat er das nur gesagt, um ausnahmsweise mal locker zu wirken. Das ist er nämlich ansonsten nicht.

Realistischer sind die bescheideneren Ziel, die Manager Peter Pander („einstelliger Tabellenplatz mit Blick auf den internationalen Wettbewerb“) und Trainer Wolf („erst mal 40 Punkte“) formulieren. Denn auch wenn der Fußball im VfL Wolfsburg zur Volkswagen-Tochter wird, werden die Millionen nicht in Strömen fließen. Der Vorteil der Umwandlung ist für Pander, Wolf und Co. ein anderer: Denn im Verein mit 27 Abteilungen tut sich der „wirtschaftliche Geschäftsbetrieb Lizenzfußball“ manchmal schwer, zur Geltung zu kommen. Lange Entscheidungswege, viele Leute, die mitreden wollen. Deswegen haben die Profis die Chance zur Trennung, die seit der Zulassung von Kapitalgesellschaften möglich ist, gern wahr genommen.

Wenn das Stadion fertig ist, die neue GmbH funktioniert und bis dahin nichts sportlich Unvorhergesehenes dazwischenkommt, kann man ja mal wieder über die Meisterschaft reden. Siegert, Voss, Fahner, Müller, Loboué und Busch dürften dann im besten Fußballer-Alter sein.