NPD kämpft gegen Verbot ihrer Demo

Letztlich muss wohl Karlsruhe entscheiden, ob am Wochenende in Tostedt ein Marsch der Jungen Nationaldemokraten stattfinden kann. Die Rechten wollen das Verbot durch den Landkreis nicht akzeptieren

FREIBURG taz ■ „Gegen Staatswillkür – für Meinungsfreiheit“ wollen die Jungen Nationaldemokraten (JN) am Samstag in Tostedt, südlich von Hamburg, demonstrieren. Doch der Umzug der NPD-Jugend ist vom zuständigen Landkreis Harburg verboten worden. Vermutlich wird die endgültige Entscheidung am Samstagvormittag vom Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe gefällt. Dort hat man in diesem Jahr aber schon mehrfach signalisiert, dass NPD-Veranstaltungen nicht quasi routinemäßig verboten werden können.

Mit der Demonstration am kommenden Wochenende wollen die Rechtsradikalen gegen einen Polizeieinsatz protestieren, bei dem am 22. Juli ein Nazi-Rockkonzert im nahegelegenen Holvede aufgelöst wurde. Anmelder der Demonstration ist Danny Marquardt, der niedersächsische Landesvorsitzende der Jungen Nationaldemokraten. Der Landkreis hat die Demonstration jedoch untersagt, weil „angesichts der Vorereignisse und der aktuell sehr aufgeheizten Stimmung gewalttätige Ausschreitungen äußerst wahrscheinlich seien“. Bedroht sei vor allem die eingesetzte Polizei.

Die Rechten wollen dieses Verbot natürlich nicht akzeptieren und haben beim Verwaltungsgericht in Lüneburg einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz beantragt. Die juristischen Hoffnungen gelten aber vor allem dem Bundesverfassungsgericht.

Die Hoffnungen der Rechten gründen sich auf eine Karlsruher Entscheidung von Ostersamstag diesen Jahres (Az. 1 BvQ 10/00). Damals war das Verbot eines JN-Marsches, ebenfalls in der Nazi-Hochburg Tostedt, vom Bundesverfassungsgericht zugelassen worden. Zur Begründung hieß es in dieser einstweiligen Anordnung, dass das Demonstrationsverbot vor allem auf Vorfälle in der Vergangenheit gestützt wurde. Es seien jedoch keine „Tatsachen“ vorgebracht worden, die auf eine konkrete Gefahr durch den geplanten Marsch hindeuten.

Tatsächlich marschierten am Ostersonntag dann rund achtzig JN-Demonstranten durch das kleine Städtchen. Verfassungsrichter Wolfgang Hoffmann-Riem, der in Karlsruhe für das Demonstrationsrecht zuständig ist, hat die Demonstration sogar „als Privatmann“ vor Ort beobachtet.

Aus seiner Feder stammt auch ein Karlsruher Beschluss von Mitte Juli dieses Jahres. Damals hatte das Verfassungsgericht ein gegen die NPD gerichtetes Demonstrationsverbot in Göttingen akzeptiert. In der erst gestern vorgelegten Begründung finden sich erneut kritische Hinweise an die Behörden und Verwaltungsgerichte, es sich mit solchen Verboten nicht zu einfach zu machen. Unzureichend sei etwa der Hinweis auf die Bindung von Polizeikräften durch eine zeitgleiche Gegendemonstration. Es könne nicht sein, dass die Anmeldung von Gegendemos fast automatisch dazu führe, dass die eigentliche Demonstration nicht mehr stattfinden kann. Notfalls müssten eben „externe Polizeikräfte“ zugezogen werden.

Das Verbot in Göttingen wurde dennoch aufrechterhalten, unter anderem weil ein NPD-Funktionär die Stadt in einem Interview als „Frontstadt im politischen Kampf“ und als „Eiterbeule“ bezeichnet hatte. Dies wurde als Indiz dafür gesehen, dass die Demonstration auf gewalttätige Auseinandersetzungen mit Linksextremisten abzielt. Auch habe die NPD im Vorfeld keine „öffentlich deutlichen Signale“ für eine gewaltfreien Verlauf ausgesendet. (Az. 1 BvR 1245/00)

An derartigen Signalen fehlt es allerdings auch in Tostedt. Die Blood-&-Honour-Sektion Weser-Ems (sie war Organisatorin des aufgelösten Nazi-Rockkonzerts) hat sogar noch Öl ins Feuer gegossen. Polizisten bräuchten sich angesichts solcher Vorfälle nicht mehr fragen, „warum Menschen wie Kai Diesner auf Polizisten schießen“. Der Neonazi Kai Diesner hatte einen Polizeibeamten bei einer Personenkontrolle ermordet. Bei solchen Vorzeichen wird das Tostedter Demonstrationsverbot diesmal wohl bestehen bleiben.

CHRISTIAN RATH