Von „Mafia-Lieblingen“ und anderen Elfen

■ Besitzer so genannter Kampfhunde haben es schwer, seit für die Vierbeiner der Maulkorb- und Leinenzwang gilt. Mitunter drohen sie zurück: mit Verleumdungsklagen. Eine Klage soll bei Gericht eine Ausnahmeregelung für harmlose Tiere in Bremen bringen

Unsere kleine Elfe“, sagt Detlef Perßon zu dem weißen Muskelpaket auf seinem Schoß. Die „Elfe“ heißt Pebbles und ist eine Bullterrier-Hündin. Rund 30 Kilo Hund räkeln sich wohlig und lassen sich den Bauch kraulen, schlecken ab und an über die streichelnde Hand. Idylle. Aber Pebbles ist offiziell ein Kampfhund. Bullterrier mit ihrem gedrungenen Körper und ihren schmalen Augen und dem konisch zulaufenden Kopf verkörpern das Bild des Kampfhundes schlechthin.

Mittlerweile ist bei Perßons Ruhe eingekehrt. „Bis zum 4. Juli waren wir fast jedes Wochenende unterwegs“, erzählt Detlef Perßon, der gemeinsam mit seiner Frau Dorothee Bullterrier züchtet. Unterwegs auf Zuchtschauen, die Züchter mit ihren Tieren absolvieren, um dort den edlen Status der Exemplare bestätigt zu bekommen. Pebbles und Bullterrier-Rüde „Krümel“ waren immer mit dabei. Am 4. Juli trat der Leinen- und Maulkorbzwang für eine Liste „gefährlicher Hunde“ in Kraft, wenig später Handels- und Zuchtverbot. „Es war ein schönes Leben bis jetzt“, sagt Perßon, „aber jetzt ist alles anders. Wir sind plötzlich kriminell, von einem Tag auf den anderen.“ Irgendjemand aus der Nachbarschaft hat schon die Polizei gerufen, die daraufhin bei den Bullterrierzüchtern auftauchte, nur mal so zum Gucken. Worauf Detlef Perßon einen Rundbrief an die lieben Nachbarn schrieb und Verleumdungsklagen androhte und über die deutsche „Blockwartmentalität“ schimpfte. Es gab haufenweise Sympathieadressen, aber Pebbles' feines Leben ist dennoch vorbei. „Sie ist ein Fahrradhund“, berichtet Dorothee Perßon. Lief ewig nebenher. Schluss damit. Hunde wie Pebbles müssen hecheln, Transpiration funktioniert über die Zunge. Mit Maulkorb geht das aber nicht mehr. Und vor der Haustür rumliegen und den Nachbarn zugucken, damit ist es auch vorbei.

Als die Perßons vor sechs Jahren mit der Bullterrierhaltung und -zucht anfingen, wussten sie, worauf sie sich einließen. Dorothee Perßon „mochte immer schon gerne Kurzhaarhunde“. Das Titelbild auf einem Bullterrierbuch gab den Ausschlag: „So einer muss es sein.“ Die Perßons sind „absolut überzeugt von der Liebenswürdigkeit dieser Hunde“. Angesichts ihres phlegmatischen Gemüts seien sie prima Familienhunde. Anfeindungen gab es immer wieder. „Aber so schlimm wie jetzt war es noch nie“, sagt Detlef Perßon.

Mit der Zucht, die ebenso wie der Handel per Verordnung verboten sind, ist erst mal Schluss. „Das Interesse“, sagt Perßon, der zugleich das Zuchtbuch im Deutschen Club für Bullterrier führt, also den Überblick hat, „tendiert sowieso gegen null.“ Einen Hund aus dem letzten Wurf im Februar hat er schon zurückbekommen. Er hofft, dass es dabei bleibt.

Szenenwechsel. Ein Büro am Blumenmarkt, ein Hund in blauer Ölfarbe guckt von der Wand. Verena Friderich ist Anwältin und Notarin und Halterin eines Mastin Espanol – eine Rasse, die auch auf der Liste der gefährlichen Hunde steht. Amanda ist laut Verena Friderich überhaupt nicht gefährlich und überdies der einzige Mastin Espanol in Bremen. Amanda und ihre Artgenossen, empört sich Frauchen, seien in einer viel gelesenen Zeitung dieser Stadt gar als „Mafias Liebling“ tituliert worden. „Stigmatisiert“ fühlt sich die Juristin. Sie hat gegen die Hundeverordnung beim Verwaltungsgericht geklagt, unter anderem mit dem Grund, dass die Bremer Verordnung keine Ausnahmen – nach erwiesener Harmlosigkeit – ermögliche. Ihrer Meinung nach reicht die Verordnung in ihrer ursprünglichen Version, also ohne Rassenliste, völlig aus. Maulkörbe für bissige Hunde, gar Haltungsverbote waren vorher nämlich auch schon möglich.

Der Mastin Espanol firmiert als Herdenhütehund. In der Schweiz wird gerade versucht, die seltenen Tiere – in Deutschland gibt es etwa 50 bis 60 Exemplare – wieder an ihre ursprüngliche Aufgabe, Schafe hüten, zu gewöhnen. Der WWF bezeichnet den spanischen Mastin Noel auf seiner Homepage als „Hoffnungsträger des dreijährigen Projektes WWF Herdenschutz Graubünden“.

Genauso wie die Bordeaux-Dogge gehört der Mastin Espanol zu den Molossern – den Doggen. Aber während die Bordeaux-Dogge dank besonderen PolitikerInnen-Engagements (Fürsprecher hatten sich für den Bordeaux eines Polizisten eingesetzt) von der Liste hüpfte, blieb der Mastin Espanol drauf. „Ich wusste ja von nichts“, sagt Verena Friderich auf die Frage, ob ähnlicher Einsatz ihrer Amanda vielleicht ein maulkorbfreies Da-sein ermöglicht hätte.

Der Widerstand formiert sich. Inzwischen gibt es eine Interessengemeinschaft gegen die Hundeverordnung Bremen-Bremerhaven, an der Spitze Daniela Heim, Züchterin von American Staffordshire Terriern, die Ähnliches zu berichten hat wie Bullterrier-Züchter Perßon. 15 HundehalterInnen haben sich hier zusammengeschlossen, auch sie wollen klagen.

Und auch der taz-Beispielhund Emil („Emil und die Exekutive“, taz vom 22. Juli) wird der Rücken gestärkt. Nachdem Frauchen Margret Dannemann-Jarchow am Mittwoch mit der Bitte um Maulkorb-Erlass beim Stadtamt abgeblitzt ist, sammeln die Jarchows Betroffene wie Verena Friderich um sich.

Beim Stadtamt sind bereits 95 Hunde der Rassenliste registriert, 400 Exemplare gebe es insgesamt, heißt es hier; andere Schätzungen gehen von rund 1.000 Tieren aus. Bis zum 3. Oktober haben die HalterInnen noch Zeit, ihre Tiere registrieren zu lassen.

Offenbar ist mit den Bremer Verordnungen genau das gelungen, was die VertreterInnen aller Fraktionen in der Bürgerschaft bei der Debatte um die Verordnung im Juni noch verhindert wissen wollten: „dass es die Halter trifft, die mit ihren Hunden verantwortungsvoll umgehen“, so formulierte damals Carmen Emigholz, eigentlich SPD-Kulturexpertin, in jenen Wochen zur Hundefachfrau mutiert. Zu diesem Zeitpunkt hieß es noch, es werde hinter den Kulissen an einer Möglichkeit gebastelt, Leuten wie den Perßons, Jarchows oder Friderich den Maulkorbzwang zu erlassen. Seit im Juli ein Kind in Hamburg von zwei Hunden totgebissen wurde, ist davon nichts mehr zu hören. Emigholz warnt indes davor, Tiere wie Pebbles oder Krümel zu verharmlosen. In Perßons Händen seien solche Tiere gut aufgehoben, bei anderen vielleicht nicht. Das von ihr und vielen anderen geforderte und nun geplante bundeseinheitliche Heimtierzuchtgesetz soll auch vermeiden, was viele aufrechte HundefreundInnen fürchten: dass nun einfach andere, nicht indizierte Rassen scharf gemacht und auf Aggression trainiert werden oder dass bei uns noch gänzlich unbekannte Rassen hier tatsächlich „Mafias Liebling“ werden. Carmen Emigholz will von gefährlichen „Wolfshybriden mit Terrieranteilen“ wissen, die aus Osteuropa bereits jetzt das westliche Kampfhundmilieu erreichen.

Susanne Gieffers