„Aber bitte nicht am Brandenburger Tor“

Der Juraprofessor Uwe Wesel will heute eine Demonstration gegen den angekündigten Aufmarsch der NPD am Brandenburger Tor anmelden. Vor allem mit Studenten will er eine Menschenkette bilden und das Tor abriegeln

taz: Herr Wesel, Sie wollen heute eine Kundgebung gegen die angekündigte NPD-Demo anmelden – sehen Sie keine Chancen, den Aufmarsch der Rechten am Brandenburger Tor zu verbieten?

Uwe Wesel: Nein, denn die NPD verhält sich leider sehr geschickt. Eine Demonstration kann man ja nur verbieten, wenn aus ihr heraus Straftaten drohen – etwa das Zeigen verfassungswidriger Embleme. Die NPD vermeidet es aber, solche Zeichen – etwa variierte Hakenkreuze – zu zeigen. Deshalb muss Innensenator Werthebach die Demonstration genehmigen. Es gibt da keinen Ausweg.

 Muss die demokratische Gesellschaft dies einfach ertragen?

Nein, der Bundestag könnte mühelos die Bannmeile um den Reichstag erweitern, so dass das Brandenburger Tor und das Holocaust-Mahnmal auch vor solchen Demonstrationen bewahrt blieben. Ich finde Bannmeilen ja eigentlich überflüssig, aber das Brandenburger Tor ist nun mal ein Symbol für das In- und Ausland. Die Nazis hierzulande begreifen solche Demos als Ermunterung. Und das Ausland schaut uns auch schon schief an. Es ist das gute Recht der NPD, zu demonstrieren – aber bitte nicht am Brandenburger Tor.

 Welche Chance hätte Ihre Gegendemonstration?

Wenn wir unserer Demo am selben Ort und zur selben Zeit anmelden, hat Werthebach Ermessensspielraum, ob und wie er die NPD-Demo genehmigt. Für uns wäre etwa eine Menschenkette möglich, die das Brandenburger Tor bereits weit abriegelt. Ich werde versuchen, zusammen mit den Asten die Studenten zu mobilisieren. So unpolitisch sind sie noch nicht.

 Sie scheinen zuversichtlich, dass man Rechtsradikale durch Gegenaktionen aus dem öffentlichen Raum vertreiben kann. Was macht Sie so optimistisch?

Dass die Medien aus dem Kampf gegen den Rechtsradikalismus eine Kampagne gemacht haben – selbst die Morgenpost ist dabei. Vor allem aber die Bild-Zeitung, alle Fernsehsender und Radiostationen. Das ist ähnlich wie bei den Kampfhunden. Es ist auch ein wenig ein Sommerloch-Thema. Aber die Zustimmung in der Bevölkerung für Maßnahmen gegen die Rechtsradikalen wird wachsen. Selbst CDU und CSU kriegen schon Angst vor den Rechtsradikalen.

 Sollte die NPD nicht gleich verboten werden?

Auch wenn die rechtsradikalen Gefolgschaften teilweise die NPD-Logistik nutzen, würde ein Verbot nichts nutzen. Noch während des Verbotsverfahrens würden die auf die DVU oder die „Republikaner“ ausweichen. Wir haben das doch erlebt in den 50er- und 60er-Jahren beim Verbot der SRP und auch bei der KPD: Da wurden einfach scheinbar zahmere Nachfolgeorganisationen gegründet.

Interview: PHILIPP GESSLER

Uwe Wesel (67) lehrt an der FU Rechtsgeschichte und Zivilrecht.