Koch und Kohl erneut im Visier

Hessens Ministerpräsident Koch erschlich sich illegal ein Testat für den Rechenschaftsbericht. Statt wie angegeben im Osten soll Helmut Kohl Spendengelder für den eigenen Wahlkampf im Westen eingesetzt haben. Amtsgericht filtert hessische Akten

von KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

Die CDU im Bund und in Hessen kommt nicht aus den negativen Schlagzeilen. Wie der Spiegel heute berichtet, nutzte der frühere Bundeskanzler Helmut Kohl die von ihm persönlich illegal gesammelten Spendengelder für die Union nicht vorwiegend – wie von ihm immer behauptet – für den Aufbau der CDU in den neuen Bundesländern. Den Löwenanteil der rund zwei Millionen Mark wurde im letzten Bundestagswahlkampf von Kohl selbst beansprucht; Geld floss auch in die Meinungsforschung im Westen.

Den Vorwurf, dass er ein „notorischer Lügner und Betrüger“ sei, so die Bündnisgrünen im hessischen Landtag, musste sich Hessens Ministerpräsident und CDU-Vorsitzender Roland Koch am Wochenende wieder gefallen lassen. Koch und sein ehemaliger Generalsekretär Herbert Müller hätten sich das Testat der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft WUB für den Rechenschaftsbericht der hessischen CDU für das Jahr 1998 illegal erschlichen. Einen entsprechenden Vorwurf jedenfalls hatte der Geschäftsführer von WUB, Hans Joachim Jacobi, am vergange- nen Freitag vor dem Landtags-Untersuchungsausschuss erhoben.

Die Testateure von WUB in Saarbrücken hatten 1999 den Rechenschaftsbericht der hessischen CDU für 1998 geprüft und für „in Ordnung“ befunden. Doch Jacobi und seinen Leuten war von Koch und Müller offenbar nicht gesagt worden, dass sich bei den Unterlagen zum Rechenschaftsbericht 1998 ein „Darlehensbrief“ des Prinzen Wittgenstein über eine Summe von zwei Millionen Mark befand, die eigentlich erst 1999 aus den schwarzen Kassen in der Schweiz der hessischen CDU bar zugeflossen war. Mit Billigung von Koch und Müller war dieser fingierte „Darlehensbrief“ auf den 6. Februar 1998 zurückdatiert worden. Ohne Hinweis auf diesen „exorbitanten Vorgang“, so die Wirtschaftsprüfer, hätten Koch und Müller beim Einreichen der Unterlagen zur Prüfung des Rechenschaftsberichtes – wider besseres Wissen – auch noch „eidesstattliche Vollständigkeitserklärungen“ abgegeben.

Jacobi und seine Wirtschaftsprüfer jedenfalls fühlen sich „schwer getäuscht“. Wenn er von der „Rückdatierung“ gewusst hätte, so Jacobi, wäre der Rechenschaftsbericht nie testiert worden. Ob der WUB noch weitere relevante Unterlagen vorenthalten oder ihr gefälschte untergeschoben wurden, will die Firma jetzt klären. WUB hat Akteneinsicht bei der Staatsanwaltschaft in Wiesbaden beantragt.

Mit der Rückdatierung und der „Umwandlung“ der Bargeldspende des Prinzen in ein Darlehen wollte sich Koch offenbar die Option der Rückzahlung der illegal zur hessischen CDU geflossenen Schwarzgelder offen halten. Koch selbst hatte Ende 1999 intern die Parole ausgegeben, dass Gelder unbekannter Herkunft nicht mehr angenommen werden dürften. So wurde aus der längst verpulverten „Bargeldspende“ von Wittgenstein über Nacht ein – rückzahlbares – Darlehen; und das wurde dann noch schnell im Rechenschaftsbericht für 1998 platziert. Koch streitet das nicht ab: „Das war doch die einzige Möglichkeit, den nicht gewollten Zufluss von Geld aus unbekannten Quellen von der CDU abzuwenden“, sagte er am Wochenende. Mit ihren Rechenschaftsberichten wird auch die CDU im Bund wohl Ärger be- kommen. Die Staatsanwaltschaft in Bonn jedenfalls sieht jetzt Anhaltspunkte für einen Betrug.

Bereits am Freitag wurde in Wiesbaden mit den Stimmen der Obmänner aller Fraktionen ein Antrag auf Beschlagnahmung aller CDU-Akten in Hessen beschlossen. Sie sollen nun durch einen Amtsrichter gefiltert werdem. Politisch-strategische Akten der Union, so die Auffassung von CDU und auch FDP, sollten aber vom Gericht zunächst verwahrt und dann an die Partei zurückgegeben werden.