Um den eigenen Planeten

Größenwahnsinn und Wertkonservatismus: De La Soul melden sich mit „Art Official Intelligence“.Mit dem ersten Teil einer angekündigten Trilogie beweisen sie sich einmal mehr als Konzeptband

von GERRIT BARTELS

Sie sind schon eine komische Bande, die drei Frühdreißiger der New Yorker HipHop-Band De La Soul. Da lassen sie nach ihrem schon einmal erfolgten Comeback geschlagene vier Jahre ins Land ziehen, um ein neues Album fertig zu stellen – eine kleine Ewigkeit in der Welt von MTV und Pop. Da ziehen sie sich vollständig zurück und geben auch keinen Mucks in Form eines Gastauftritts auf Alben von Freunden oder Kollegen von sich – was eigentlich zum guten Ton und guten Geschäft gehört und obligat für jeden HipHopper ist, der gerade kein Album draußen hat. Da veröffentlichen sie mit ihrem neuen, mittlerweile fünften Album „Art Official Intelligence: Mosaic Thump“ ein Werk, das ohne Probleme zwischen den state of the art-Produktionen eines Timberland und den old school-Sachen von Jurassic Five seinen Platz findet. Und da kündigen sie gleichzeitig an, dieses Album sei lediglich der erste Teil einer Albumtrilogie, die innerhalb eines Jahres veröffentlicht werden und auf unterschiedlichste Weise ins Sounduniversum von De La Soul führen soll: „Das war einfach etwas, was es noch nicht gegeben hat und von dem wir dachten, dass es wirklich cool wäre“, heißt es dazu aus dem De-La-Soul-Lager.

Man kann das Selbstbewusstsein nennen. Man kann aber natürlich auch Größenwahn dazu sagen, was gerade im Fachbereich US-HipHop nichts Ungewöhnliches wäre. Man darf auch von Chupze sprechen und sich überlegen, dass De La Soul die aktuellen Kräfteverhältnisse im HipHop und den eigenen Marktwert falsch einschätzen. Schaut man sich aber die schon zwölf Jahre dauernde Bandgeschichte von De La Soul an, dann passt das Projekt „Art Official Intellegence“ mitsamt seinem Titel: De La Soul sind eine Konzeptband, und als solche haben sie sich von Beginn an wenig um Veröffentlichungsstrategien und noch weniger um jeweils herrschende HipHop-Styles geschert.

Ein Vorgehen, das natürlich erst mal selbst Styles und Images produzierte: Als „Hippies des HipHop“ wurden die beiden Rapper Posdnous und Trugoy sowie ihr DJ Maseo tituliert, als sie 1989 ihr Debütalbum veröffentlichten. Statt mit Maschinenpistolen und Goldketten, spazierten die drei lieber mit Blümchenhemden und Lederanhängern durch die Welt und predigten Frieden, Liebe und Glückseligkeit. Da waren zwar viel Spaß und noch mehr gespielte Witze dabei, und da bewies die im beschaulichen Long Island beheimatete Band vor allem, dass sie sich auf Imagekonstruktionen verstand. Doch das Hippie-Label passte gut zu den weichen und verspielten De-La-Soul-Tracks, zu den vielen kleinstgeschnipselten Samples, die von Sly Stone (selbstverständlich) bis zu Steely Dan (alles andere als selbstverständlich) reichten.

Wer B-Boys und ihr protziges Gehabe doof und HipHop sowieso langweilig und eindimensional fand, für den erschloss sich mit De La Soul ein ganz neues Universum: HipHop für Nerds, Eckensteher und Schlaumeier. HipHop, der dann aber mit anderen Bands wie A Tribe Called Quest und den Jungle Brothers auch eine eigene Schule bildete: die so genannten native tongues, denen afrozentrisches Bewusstsein, Wortakrobatik und Reisen ins Innere des Klangs vor Superstartum gingen.

Allerdings wurden De La Soul nach ihrem mit Platin veredelten Debüt immer auch an Erfolgen in Zahlen gemessen. 1996, als Coolio und die Fugees endgültig den Pop in den HipHop brachten, kehrten sie mit dem für damalige Verhältnisse unzugänglichen, aber in sich geschlossenen Album „Stakes Is High“ zurück: als ältere Staatsmänner, die sich dem „wahren“ HipHop verschrieben hatten. Als „three wise men“ (The Source) die wussten, wo Dr. Dre und Puff Daddy den Most holten und sich trotzdem davon nicht beeindrucken ließen. So ist es nur konsequent, dass sie sich im Anschluss an ihr „Comeback“ wieder zurückzogen – ins Privatleben und ins Studio –, um in Ruhe an neuem Material arbeiten zu können und den nun verkündeten Coup vorzubereiten.

Kunst und Intelligenz, von Amts wegen: Der Titel der Trilogie weist auf das Gesamtkunstwerk De La Soul, und mit dem ersten Teil zeigt die Band, dass sie Kunst, Intelligenz und ihren speziellen Witz (der manchmal auch ins Alberne lappt) nun auch mit den Erfordernissen des HipHop-Biz zusammenzubringen versteht.

Auf dem Album tummelt sich ein Haufen bekannter Buddies wie die Beastie Boys, Redman, Xzibit oder Busta Rhymes (auch Chaka Khan ist dabei); es enthält eine ganze Reihe potenzieller Hits mit an heutigen Produktionsstandards locker heranreichenden Beats (ganz groß: „My Writes“ und „Foolin“, natürlich die vorab ausgekoppelte Single „Oooh“ und das Chaka-Khan-Stück „All Good“), und, wie es sich gehört, auch ein bisschen Ausschuss: 17 Stücke in 66 Minuten sind dann doch des Guten zuviel.

Wie selbstverständlich warben De La Soul via MTV für ihr Album in Cannes zur Zeit der Filmfestspiele und erzählten dort, wie unten sie mit dem „real HipHop“ sind. Das passt und passt nicht, und es schlägt sich auf dem Album in Floskeln wie „It ain’t no good, that’s the truth“ oder dem businesskritischen „Foolin’“ nieder: Mit politischem Explizitismus haben es De La Soul nicht so – die Pfade, auf denen sie wandern, sind verschlungener, die Ebenen, die sie erklimmen, immer auch gebrochen, die wieder feinen Samples und natürlich die Auswahl der Gäste exquisit. Ohne dass das allerdings immer etwas bedeuten muss: Wenn sie da einen der Söhne der drei das Alphabet aufzählen lassen, der es aber nur bis Q schafft und das Album dann mit einem „Arrrrrh“ beginnt, ist das einfach nur lustig und nicht mehr. Der darauf folgende Opener „U Can Do (What You Want)“ sagt dann allerdings schon einiges mehr: Ego Trippin’, Ego Trippin’.

Sendungsbewusstsein kreist bei De La Soul immer um den eigenen Planeten, HipHop ist für sie in erster Linie eine Kunstform, ohne dass sie dabei ihren Bezug zur Außenwelt verlieren. Man darf auch Wertkonservatismus dazu sagen. Eine komische Bande? Nicht wirklich.

De La Soul: „Art Official Intelligence: Mosaic Thump“ (Tommyboy/Eastwest)