piwik no script img

KLEINAKTIONÄRE WARNEN VOR BÖRSENNEULINGENReine Profitgier

Mehr als elf Millionen Deutsche besitzen inzwischen Aktien oder Anteile an Anlagefonds – eigentlich eine beachtenswerte Lobby, sollte man meinen. Folgt man den Feststellungen der Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre, dann ist das mitnichten so. Die derzeitigen Börsengänge wiesen eine „katastrophale Emissionsqualität“ auf, so die SdK gestern. Im Klartext heißt das: Die betreuenden Banken lassen Firmen an die Börse, die ein absurd hohes Kursrisiko tragen und ohne realistische Chance sind, in absehbarer Zeit Gewinn zu machen. Und sie informieren die Kleinanleger nicht einmal ausreichend.

Verantwortungsvolle Banken dürfen so nicht handeln. Jede Firma müsste doch wenigstens ansatzweise ihre Überlebensfähigkeit beweisen, bevor man sie, mit einem Bankensiegel versehen, auf Anleger loslässt. Dass die Investmentbanker oft beide Augen wider besseres Wissen zudrücken, geben sie inzwischen selbst zu. Doch sie wollen das Emissionsgeschäft mit seinen hohen Provisionen nicht der Bankerkonkurrenz überlassen. Dass sich diese Sichtweise für die Banker lohnt, hat am eindrücklichsten die Deutsche Bank AG vergangene Woche mit ihrer Halbjahresbilanz bewiesen: Fast 6 Milliarden Euro Provisionsüberschuss in den Sparten Investmentbanking und Vermögensverwaltung. Und die Topmanager der beiden Sparten erhielten Sonderzahlungen in Höhe von mehr als 3 Milliarden Euro. 6 Milliarden Mark Bonus,Kommentar unnötig.

Wer an der Börse spekuliert, geht natürlich ein höheres Risiko ein als die Sparbuchanleger. Doch wer heute einigermaßen von der Reichtumsentwicklung der Ökonomie profitieren will, hat keine andere Wahl, als auch in Aktien anzulegen. Nur sie halten langfristig mit dem Wirtschaftswachstum mit. Es geht hier nicht nur um die Profite der Erben und Großkapitalisten, sondern um die Spargroschen eines Großteils der Bevölkerung. Wer kann heute noch – wie bisher in Arbeiterkreisen verbreitet – 30 Jahre lang sein bezogenes Eigenheim abbezahlen, wenn er alle paar Jahre den Arbeitsort wechseln muss? Wenn nun viele Kleinanleger mit maroden Neuemissionen Geld verlieren, wird der Gang in die Aktie in Deutschland verlangsamt. Auf Kosten der Menschen, die es eigentlich am nötigsten hätten.

Das alles ist den Banken egal und muss es ihnen in ihrer Profitlogik auch sein: Sie haben keinerlei Sanktionen zu erwarten und verdienen viel Geld mit Börsengängen aller Art. Und wenn alle gleich schlecht sind, kann die beste Schutzgemeinschaft auch keine Empfehlung geben, welche denn die Bank der Wahl wäre. So ein System ist doch fein, oder? REINER METZGER

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen