„Katastrophale Emissionsqualität“

Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre zieht Jahresbilanz: Immer mehr Börsengänge, immer mehr Flops. Und weder Banken noch Börse überprüfen ausreichend die Qualität der neuen Aktien. Serviceseite zu Emissionen im Internet

von REINER METZGER

Kleinanleger werden nach Einschätzung von Aktionärsvertretern an der Börse zunehmend über den Tisch gezogen. Vor allem der spekulative Neue Markt an der Frankfurter Börse sei für Privatleute inzwischen eine Zumutung, kritisierte gestern die Schutzvereinigung der Kleinaktionäre (SdK). Für oft falsche Wachstumsprognosen der Unternehmen, geschönte Zahlen zum Börsengang sowie untaugliche Geschäftsmodelle zahlten oft Kleinaktionäre die Zeche. Die „katastrophale Emissionsqualität“ ziehe sich durch alle begleitenden Bankhäuser, sagte SdK-Vorstandsmitglied Markus Straub. Auch die Deutsche Börse nehme keine genauere Prüfung der Kandidaten für den Neuen Markt vor.

Von rund 80 Börsendebütanten am Neuen Markt in diesem Jahr notierten zur Halbzeit nur gut die Hälfte über ihrem Ausgabekurs. Die übrigen Firmen hätten ihren Aktionären zum Teil erhebliche Kursverluste von mehr als 50 Prozent beschert. In den ersten sechs Monaten dieses Jahres erhöhte sich die Zahl der Erstnotizen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um sechs Unternehmen auf 98. Davon entfielen 81 auf den Neuen Markt.

Heftig kritisiert wurde von den Aktionärsvertretern auch die nach ihrer Ansicht wachsende Selbstbedienungsmentalität von Vorständen und Aufsichtsräten vieler Firmen auch außerhalb des Neuen Marktes. Die Vergütung des Spitzenmanagements mit Aktienoptionen für herausragende Leistungen und Kurszuwächse der Aktie seien grundsätzlich in Ordnung, betonte der SdK-Vorsitzende Dieter Kauffmann. Bei einigen Unternehmen seien die Prämienmodelle aber in „Selbstbereicherung“ ausgeufert. Als ein Beispiel von vielen nannte Kauffmann den Stuttgarter Automobilkonzern DaimlerChrysler. Hier profitiere der Vorstand schon bei Kurssteigerung von nur 20 Prozent mit kräftigen Aktienprämien selbst dann, wenn sich Mitkonkurrenten klar besser entwickelten.

Der SdK rät Investoren, nicht blind dem guten Namen der begleitenden Bankhäuser zu vertrauen. Die genaue Inspizierung eines Börsenkandidaten scheitere allerdings oft daran, dass wichtige Informationen, beispielsweise der Emissionsprospekt, zu spät veröffentlicht würden. Anleger können sich bei der SdK im Internet unter www.ipo-norm.de über den Stand der Veröffentlichungen informieren.

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