Opposition marschiert getrennt

Bei den Wahlen treten Milošević’ Gegner mit zwei Kandidaten an. Nur einem wird zugetraut, den amtierenden Präsidenten zu entthronen

aus Belgrad ANDREJ IVANJI

Eigentlich wollte die Serbische Erneuerungsbewegung (SPO) von Vuk Drašković die „undemokratischen“ Wahlen am 24. September boykottieren. Doch die restliche Opposition war dagegen. Deshalb macht die SPO jetzt doch mit, auf eigene Faust, mit eigenem Präsidentenkandidaten: Vojislav Mihajlović, dem Bürgermeister von Belgrad.

Mihajlović gilt als Marionette Drašković’. Der Verwaltungschef der Zweimillionenstadt Belgrad soll in zahlreiche undurchsichtige finanzielle Machenschaften verwickelt sein. Nach Meinung vieler Belgrader ist er verantwortlich für das Chaos im Verkehr, bei der Wasserversorgung und der Müllabfuhr.

Für den Rest der serbischen Opposition ist diese Ankündigung ein herber Rückschlag in ihren Bestrebungen, Einigkeit unter den Oppositionsparteien zu erzielen. Für ihren gestern nominierten gemeinsamen Kandidaten, Vojislav Kostunica, Vorsitzender der Demokratischen Partei Serbiens (DSS), wird die Sache dadurch nicht einfacher. Kostunica hat sich am Montag zur Kandidatur durchgerungen. Der als gemäßigter Nationalist, aber konsequenter Demokrat bekannte Kostunica stelle sich der Wahl, „weil das Volk mich will“. Mit seiner Kandidatur hat er es sich nicht leicht gemacht und verschiedene Bedingungen daran geknüpft. Erst die, dass er nur antrete, wenn die Teilrepublik Montenegro die Wahlen nicht boykottiere. Jetzt soll die Opposition zumindest ihr Verhältnis zur Drašković’ SPO klären. Im Klartext: Die vereinigte Opposition solle mit dem unberechenbaren Drašković brechen und sich auf die eigenen Kräfte verlassen. Angeblich ist der Bruch sogar schon vollzogen worden. Die SPO soll aus den gemeinsamen Listen der Opposition für die Kommunalwahlen gestrichen werden.

Milošević kommt das Verhalten der Opposition zugute – er hat sogar damit gerechnet. Seine Koalition aus Sozialisten, Neokommunisten (angeführt von seiner Frau Mira Marković) und zumindest vorläufig auch den ultrarechten „Radikalen“ unter ihrem Führer Vojislav Šešelj hält ihre Reihen eisern geschlossen. Der Wahlsieg scheint sicher.

Dennoch macht sich Unruhe breit unter Milošević’ Marionetten. Zwar gilt, wie Srdjan Bogosavljević, Experte für Meinungsumfragen, erklärt: „Je mehr oppositionelle Kandidaten antreten, desto günstiger wird es für Milošević.“ Allerdings müsste Milošević in der ersten Runde mehr als die Hälfte aller abgegeben Stimmen auf sich vereinigen, um wieder Präsident zu werden. Schafft er das nicht, wird er sich einem der beiden oppositionellen Herausforderer in einer Stichwahl stellen müssen. Der vierte Kandidat, der stellvertretende Parteichef der Milošević-treuen Radikalen Partei Serbiens (SRS) und jugoslawischer Vize-Ministerpräsident, Tomislav Nikolić, gilt als chancenlos.

Laut Meinungsumfragen hätte nur Kostunica das Potenzial, Milošević zu schlagen. Denn im Gegensatz zu seinen Kontrahenten gilt er als integer. Ihm könnte nicht einmal der böswilligste Propagandist des Regimes unterstellen, ein „Verräter“ zu sein, der Volk und Land an den Westen verkauft habe. Und andererseits können ihm nicht einmal die heftigsten Gegner aus den Reihen der Opposition vorwerfen, er kämpfe nicht mit aller Kraft gegen Milošević und für eine demokratische Wende.

Gewählt wird am 24. September auch auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene. Einfluss auf die politische Zukunft Restjugoslawiens werden diese Wahlen nicht haben. Denn die jugoslawische Föderation, bestehend aus Serbien und Montenegro, existiert de facto nicht mehr. Und in den Städten und Gemeinden haben jetzt schon die oppositionellen Parteien das Sagen.

Es kommt auf die Präsidentschaftswahlen an. Da will sich Slobodan Milošević als der beliebte Volksführer bestätigen lassen. Eine Niederlage aber würde sein Machtsystem erschüttern.