ex und pop (11): prügelpolizisten
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von DIETRICH ZUR NEDDEN

„Das Komische ist, mit den Jahren werden die Fragen immer einfacher und die Antworten immer komplizierter“, lässt Philippe Djian einmal eine seiner Figuren sagen. Das Fiese ist, manchmal ist es umgekehrt. Denn woran liegt es, dass alle Zeitungen über die Chaos-Tage im Expo-Jahr das Gleiche drucken, eine Agenturmeldung, die der Pressemitteilung der Polizeidirektion zum Verwechseln ähnlich sieht? Das Punkertreffen fand dank eines Großaufgebots von Polizei und Bundesgrenzschutz nicht statt. Allein am Sonnabend habe es ein paar Stunden lang Aufregung gegeben mit einer Bilanz von über 200 „Ingewahrsamnahmen“ und 14 Festnahmen.

Die Schilderungen in der Internet-Zeitschrift Telepolis deuten auf ein paar Kollateralschäden hin. Ekkehard Jänicke beobachtete neben vielen anderen Ereignissen den Einsatz von drei „Sicherheitsleuten“ im hannoverschen Hauptbahnhof, die junge Touristen aus Lateinamerika und Asien mit „martialischen Gesten, Hand am Knüppel“ von einer Treppe vertrieben. Klingt noch relativ harmlos. Um so eindrücklicher der Vorfall, den Serab Günner beschreibt. Er wollte eine Freundin am Bahnhof abholen, eine Diplombiologin und Virologin, die zu einem Ärztekongress wollte: „Mareike ist Niederländerin indonesischer Abstammung und trägt eine bunte punkige Frisur. Sie wurde sofort am Bahnsteig aus dem Zug gefischt und mit dem nächsten Zug wieder Richtung Niederlande zurückgeprügelt.“ Später zitierte Mareike am Telefon Äußerungen der BGS-Beamten: „Die farbige Punkfotze will eine Studierte sein, hahahah! Wer weiß, wie sie sich hier Geld verdienen will!“ Das klingt nicht die Spur ausgedacht, ebenso wenig die Geschichte von „Georg Müller (55) aus Berlin“. Sein 17-jähriger Neffe, Mitglied der Jungen Union, wollte die Expo besuchen: „Die Expo hat er nicht gesehen, bereits am Hauptbahnhof Hannover geriet der junge Spießer in eine Polizeikontrolle von Bamberger Polizisten, die ihn fragten, ob er denn heute schon kontrolliert worden sei.“ Dummerweise fasste er die Frage als Spaß auf und lachte, „was ihm eine dicke Beule am Kopf und eine verstauchte Hand einbrachte sowie Hannover-Verbot.“ Der Neffe sei noch am Sonntag aus der JU ausgetreten, schimpfe plötzlich auf den „Polizeistaat“, erzähle von Nazi-Sprüchen aus dem Mund von BGS-Beamten und von schwersten Übergriffen gegen Menschen mit bunten Haaren: „Er hat nämlich auch einen Grün-Ton in seine Haare eingefärbt.“

Währenddessen blieben offenbar Nazi-Skins unbehelligt, die im Marschschritt durch den Bahnhof zogen, den „deutschen Gruß“ zeigten und Ausländer anpöbelten. Auf Nachfrage sah ein Einsatzleiter des BGS keinen Grund zum Handeln, auch eine Gruppenführerin sagte, das sei nicht ihre Aufgabe. Man kann die Authentizität der Telepolis-Beiträge selbstverständlich auch bezweifeln und zufrieden sein mit dem, was in der Zeitung steht. Auf jeden Fall richtig ist die Presseerklärung der Polizei: „Das Einsatzkonzept des niederschwelligen Einschreitens und der konsequenten Ausschöpfung der bestehenden Rechtsnormen greift.“