ARBEITSLOSIGKEIT: DIE 50-JÄHRIGEN WERDEN ENDGÜLTIG ZUM AUSSCHUSS
: Aufschwung grenzt aus

„Es bleibt abzuwarten“, teilt das Arbeitsamt mit, „ob sich der Rückgang der Arbeitslosigkeit abzuschwächen beginnt . . .“ Kommt der Arbeitsmarkt nicht von der Stelle? Es ist schlimmer: Der Aufhellung im Westen steht die Verdüsterung im Osten gegenüber. Und eine erneute Verfestigung des Arbeitslosensockels würde, darüber dürfte kein Zweifel bestehen, alle Sanierungsbemühungen öffentlicher Finanzen hinfällig machen.

Dabei sind die Bedingungen eigentlich günstig. Anfang der Neunzigerjahre waren 37,8 Millionen Menschen in Lohn und Brot, 8,5 Millionen in den neuen, 29,3 Millionen in den alten Bundesländern. Bis 1997 ging es dann bergab, namentlich im Osten. Seit 1998 nimmt die Beschäftigung zu – aber nur in Westdeutschland. Im Beitrittsgebiet bleibt es beim Elend. Mit den im Mai gezählten 36,2 Millionen Beschäftigten ist der alte Stand noch nicht wieder erreicht – bei diesem Tempo noch lange nicht.

Die Beschäftigungsmenge entscheidet über Einkommen und Abgaben. Dennoch ist sie kein Maßstab für Wirtschaft und Politik. Kann das Bruttoinlandsprodukt mit 36 Millionen Beschäftigten erwirtschaftet werden, ist das gut. Besser ist, wenn 35 Millionen genügen. An der Beschäftigungsmenge ist nur die Gesellschaft interessiert.

So hat das Kapital jetzt die Effizienz mit flexibler Produktion, Internet und Neuem Markt. Für die Expansion behält es sich die Auswahl vor. Aber dabei kommt ein gutes Drittel der 3,8 Millionen Erwerbslosen nicht in Betracht: Diese Menschen sind fünfzig und älter. Im Westen haben sie die Lasten der Stagnation getragen, im Osten den Wendeschock. 1991 befand sich diese DDR-Generation auf dem Höhepunkt ihrer Karriere. In Marktwirtschafts-Kursen wurde ihnen dann erläutert: Zu alt für die Arbeit, zu jung für das Alter. Sie sind der „moralische Verschleiß“ für den Aufschwung. Natürlich fallen dabei Kosten an, wenn man so will „Systemkosten“. Diese werden sich die Betroffenen, ihre Familien und der an Wählern interessierte Staat teilen müssen. Und das nicht nur in den nächsten zehn bis fünfzehn Jahren. FRITZ FIEHLER

Der Autor ist Sozialwissenschaftler und Ökonom