Pinochet ist antastbar

Chiles Oberster Gerichtshof hat dem Ex-Diktator die Immunität aberkannt. Damit ist der Weg etwas freier geworden, ihm für Mord und Folter unter seinem Regime den Prozess zu machen

BUENOS AIRES taz ■ In Chile ist eine Heiligenfigur gestürzt. Der Ex-Diktator Augusto Pinochet genießt keine Immunität mehr vor strafrechtlicher Verfolgung. Gestern Morgen gab der Oberste Gerichtshof seine Entscheidung bekannt, wonach 14 der insgesamt 20 Richter sich dafür entschieden, Pinochets Immunität als Senator auf Lebenszeit aufzuheben. Die Entscheidung fiel eindeutiger aus als allgemein erwartet. Damit ist der Weg frei für einen Prozess gegen Pinochet als mutmaßlichen Drahtzieher der so genannten „Todeskarawane“, einer Schreckenstruppe, die einen Monat nach dem Militärputsch im Oktober 1973 Oppositionelle in Chile ermordet hat. Von 19 ihrer Opfer fehlt bis heute jede Spur, sie zählen zu den so genannten Verschwundenen.

Bevor ein Prozess gegen Pinochet eröffnet werden kann, muss sich dieser allerdings noch einmal einer psychiatrischen Untersuchung unterziehen. So steht es jedenfalls im chilenischen Strafgesetzbuch.

Seit seinem Militärputsch im September 1973 gegen den sozialistischen Präsidenten Salvador Allende war Pinochet unantastbar, niemals musste er sich für die 3.000 Opfer seiner 17-jährigen Militärdiktatur rechtfertigen. Mit der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs, ihm die Immunität abzuerkennen, enden 27 Jahre Straflosigkeit für Pinochet. Ein entscheidender Wendepunkt dabei war seine Festnahme in London im Oktober 1998. Bis dahin war es in Chile unvorstellbar, dass ein Gericht ihn antasten würde – immerhin war er bis zum März 1998 Chef der Streitkräfte, um danach als Senator auf Lebenszeit weiterhin Immunität zu genießen. „Mit der Aufhebung der Immunität hat man das Gefühl, als falle eine solch dicke Mauer wie die Mauer von Berlin“, schreibt der chilenische Autor Marco Antonio de la Parra in der argentinischen Tageszeitung Clarín. INGO MALCHER

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