Betr.: „Sozialbehörde legt neue Dienstvorschrift zur Ausschreibungspraxis vor“, taz hamburg vom 20.07.2000

Unproduktive Unruhe

Es ist schon bemerkenswert, wie Senatorin Roth es immer wieder schafft, durch den Erlass von neuen Dienstvorschriften und Regelungen und durch vollmundige Erklärungen und Schlagworte den Eindruck zu erwecken, dadurch Transparenz, Chancengleichheit und die Verhinderung von Filz zu bewirken – und dies auch noch unkritisch von den meisten Medien in die Öffentlichkeit transportiert zu bekommen. (...)

Dass nun endlich, immerhin zu Beginn des 21. Jahrhunderts, auch in der BAGS ein Computerprogramm bei der Kontrolle der Verwendungsnachweise helfen soll, belegt zunächst einmal deren Versäumnisse und Defizite in der Vergangenheit. Und die Tatsache, dass Mittel von Trägern zurückgefordert wurden, besagt noch nichts darüber, ob von der Prüfung und auch einer letztendlichen Rückzahlung alle gleichermaßen gerecht betroffen sein werden; nicht nur die HAB und der PUA sind Beweise für das Gegenteil.

Zudem war zu lesen, dass gegen die Bescheide noch Widersprüche laufen, dass also noch völlig offen ist, ob und in welcher Höhe Mittel tatsächlich „nicht im Sinne der Vereinbarungen verwendet wurden“. Erstaunlich ist auch, dass von einer angeblich neuen Finanzierung auf Zeit die Rede ist, da doch die Bürgerschaft über alle Projekte stets nur für jeweils ein Jahr beschließt.

Dienstvorschriften sind weder Selbstzweck noch dürfen sie – nicht zuletzt durch viele Ausnahmeregelungen mit großer Interpretationsbreite – Alibicharakter haben; dies gilt auch für die Ausschreibungen selbst. Und auch die Hoffnung, vielleicht sogar die Absicht von Senatorin Roth, in den Medien und auch im Bericht des Rechnungshofes lobend erwähnt zu werden, rechtfertigen keinerlei Maßnahmen, die ihre Effektivität und Effizienz bisher noch nicht belegt haben – die bisherigen Erfahrungen und die äußerst fragwürdige Aufwand-Nutzen-Relation zeigen eher das Gegenteil.

Das Vorgehen der BAGS schafft unproduktive Unruhe und Verunsicherung, erzeugt eine künstliche Konkurrenz – wieso will sich die Behörde darüber Gedanken machen und sicher auch entscheiden, „ob sich möglicherweise andere Träger benachteiligt fühlen könnten“? – und bremst und verhindert Innovationen.

In Vorschriften gegossener, quasi geregelter Filz und nur scheinbar transparente und chancengleiche Regelungen schaden nicht nur den sozialen Hilfesystemen, sondern auch dem Gemeinwohl und dem sozialpolitischen Klima in dieser Stadt sehr viel mehr, als dass sie in der Sache nützen. Ute Waller