Libanons Soldaten an Israels Grenze

Die Regierung in Beirut schickt Truppen in die ehemalige „Sicherheitszone“. Über ihre Aufgabe herrscht Uneinigkeit. In Israel sorgt ein Interview des palästinensischen Unterhändlers Erekat über die Zukunft der Siedler in Hebron für Aufregung

aus Jerusalem ANNE PONGER

500 Soldaten der libanesischen Armee haben gestern Positionen in südlibanesischen Dörfern nahe der neuen internationalen Grenze mit Israel bezogen, nachdem ihre Stationierung seit Israels Rückzug immer wieder verschoben worden war. Die Soldaten wurden von den Dörflern mit Reis und Blumen willkommen geheißen. Nach Auffassung der Regierung in Beirut sollen die Soldaten lediglich die Ordnung und die innere Sicherheit in den grenznahen Dörfern aufrechterhalten, nicht jedoch „Grenzschützer Israels“ spielen.

Diese Aufgabe fällt offiziell der United Nations Interim Force in Lebanon (Unifil) zu, die entlang der Grenze stationiert ist. In den letzten Wochen hatten Anhänger der Islamistenpartei Hisbollah fast täglich Molotowcocktails und Steine auf israelische Grenzposten geworfen, bei denen Soldaten verletzt wurden. Bewaffnete Hisbollah-Milizen sind weiter in den Dörfern präsent. Israelische Truppen wichen in den letzten Tagen von ihrer Politik der Zurückhaltung ab und schossen mehrmals scharf auf Brandbombenwerfer jenseits der Grenze. Auf einer Pressekonferenz betonte Generalstabschef Schaul Mofaz gestern, Israel erwarte auch von der libanesischen Armee, die Lage an der Grenze zu beruhigen.

Für Furore in Israel sorgte gestern ein Interview, das der palästinensische Unterhändler Saeb Erekat der in Ramallah erscheinenden palästinensischen Tageszeitung al-Khayat al-Jedida („Neues Leben“) gegeben hat. Darin sagt er, Israel habe sich bei den jüngsten Verhandlungen in Camp David einverstanden erklärt, die Stadt Hebron „von jüdischen Siedlern zu säubern“. Bei einer Zeremonie zur Verlängerung des Mandats der UNO-Beobachter in Hebron letzte Woche hatte Erekat dem palästinensischen Bürgermeister Mustafa Natsche in Aussicht gestellt, bald werde er „Bürgermeister einer gänzlich arabischen Stadt“ sein. Israel habe zugesagt, so Erekat in dem Interview, Siedlungen im Kern des Westjordanlandes stufenweise zu räumen und ihre Bewohner in Siedlungsblöcken zu integrieren, die 12 Prozent des Westufers umfassen und von Israel annektiert werden würden.

Die Hebron-Siedler drohten gestern, sie würden sich ihrer Evakuierung aus Hebron „mit grenzenloser Wucht“ widersetzen. Noam Arnon, Chef des Siedlerrates, warnte unmissverständlich, die Siedler würden nicht vor Waffenbenutzung zurückschrecken, sollte die Regierung ihren Abzug anordnen. Nach dem Hebron-Interimsabkommen von Januar 1997 stehen 80 Prozent der Stadt unter palästinensischer Autonomieverwaltung, während rund 20 Prozent der Stadt unter israelischer Souveränität geblieben sind. Dort werden rund 6.000 Siedler von israelischen Truppen geschützt.

Das Büro von Ministerpräsident Barak teilte mit, es habe in Camp David nur einen Ideenaustausch gegeben. Justizminister Jossi Beilin beruhigte, kein Siedler solle mit Gewalt evakuiert werden. Alle Siedler wären jedoch „eingeladen“, sich in dem zu annektierenden Siedlungsstreifen freiwillig unter den Schutz der israelischen Armee zu begeben.