Anschläge im Stundenabstand

Die so genannte Sommeroffensive der baskischen Separatistenorganisation ETA fordert immer mehr Tote. Die spanische Regierung will an ihrer harten Position festhalten und interpretiert die Anschlagsserie als „Rückzugsgefecht“ der ETA

aus Madrid JOSEF MANOLA

Drei Autobomben, sechs Tote und zehn Verletzte bilden den vorläufigen Höhepunkt der „ETA-Sommeroffensive“. Gestern wurde ein Offizier der Streitkräfte bei einem Attentat ermordet. Wie das spanische Verteidigungsministerium am Mittwoch mitteilte, wurde der Mann in Pamplona in Nordspanien mit zwei Kopfschüssen getötet. Am Dienstag waren im Abstand von wenigen Stunden zwei Sprengkörper explodiert – vermutlich eine Reaktion der ETA auf den selbst verschuldeten Tod eines vierköpfigen ETA-Kommandos in Bilbao in der Vornacht.

Im baskischen Zumaya wurde der 52-jährige Arbeitgeberchef der Provinz Guipúzcoa, José Mari Korta, durch eine Autobombe getötet. In einem Madrider Wohnviertel wurden durch eine Explosion zehn Menschen verletzt. Die Polizei wurde in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt, der Schutz gefährdeter Personen verstärkt, die rund 12.000 Gemeindepolitiker der Volkspartei ins Einmaleins der Sicherheitsvorkehrungen – „Blick über die Schulter, Blick unters Auto“ – eingewiesen.

Der baskische Ministerpräsident Juan José Ibarretxe formulierte sein Entsetzen: „Das war die Tat von Bestien, für diese Taten gibt es keinerlei Rechtfertigung.“ In seinem Urlaubsort Oropesa del Mar wurde Premierminister Aznar von der Nachricht vom Tod des Unternehmers Korta überrascht: „Wir erleben schwere Stunden, eine echte Probe“, sagte er, „aber gerade in solchen Augenblicken muss sich das Bündnis der Demokraten bewähren.“

Die ETA-Führung greift zu einer Waffe, die sie im Lauf ihrer 30-jährigen Geschichte immer wieder eingesetzt hat: blindwütige Anschläge gegen Politiker und Unternehmer, aber auch gegen anonyme Bürger. Panik soll verbreitet werden, niemand darf sich sicher fühlen: Im Klima hochgeschaukelter Emotionen soll die Regierung gezwungen werden, an den Verhandlungstisch zurückzukehren.

Aznars Volkspartei (PP) und die sozialistische Opposition (PSOE) zeigen seltene Übereinstimmung: Der neue Sozialisten-Chef Rodríguez Zapatero bot Aznar im Kampf gegen ETA vorbehaltlose Zusammenarbeit an.

Die Koalition aus konservativen und linken Nationalisten unter Ministerpräsident Juan José Ibarretxe kann nur dank der Abgeordnetenstimmen von Herri Batasuna überleben – des politischen Arms der ETA. Ob die in mehreren Gemeinden als Reaktion auf die Attentatswelle bereits aufgekündigte Zusammenarbeit der nationalistischen Regierungsparteien mit den Separatisten von Herri Batasuna auch im Parlament von Vitoria (baskisch: Gasteiz) storniert wird, ist noch offen.

Aznar lässt an der baskischen Regierung kein gutes Haar: Er fordert einen Bruch mit den „Komplizen des Terrorismus“ und rechnet sich gute Chancen für die Volkspartei im Fall von Neuwahlen aus. Eine Koalitionsregierung aus PP und PSOE im Baskenland wäre dem Premier in Madrid ein wertvoller Partner im Kampf gegen die ETA.

Die größte Attentatswelle der letzten Jahre hat Spaniens oberstem Fahnder „die schwersten Stunden meines Lebens“ beschert: „Die Terroristen“, ist sich Mayor Oreja sicher, „haben den letzten Waffenstillstand dazu genützt, um aufzurüsten.“ Der 49-jährige Baske versteht die Gewaltwelle als „Rückzugsgefecht“ der ETA: „Das bisherige Vorgehen der Regierung zeigt Erfolge, und wir denken nicht daran, von unserer Linie abzuweichen.“

In vielen Gemeinden forderte die Bevölkerung in Kundgebungen ein Ende der Gewalt.

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