Welches Label hätten S’ denn gern?

Höhere Kosten, weniger Werbung und Schikanen durch die alten Platzhirsche: Die Kunden zum Umsteigen auf sauberen Strom zu gewinnen, ist schon schwierig genug. Aber auch die Umwelt- und Verbraucherschützer ziehen nicht an einem Strang

Die Masse der neuen Stromkunden hat Yello abgegriffen. Wo die Energie herkommt, ist egal, Hauptsache, sie ist billig, heißt die Devise des gelben Anbieters, einer Tochter des Stromkonzerns EnBW. Und bis jetzt kam jeder zweite wechselwillige Kunde. Doch insgesamt wechselte seit der Liberalisierung nicht einmal jeder Zwanzigste den Anbieter. Und von diesen wählte nicht einmal jeder Zehnte Ökostrom.

Das liegt nicht nur am höheren Preis für den sauberen Strom und den dickeren Marketingetats der großen Konzerne. Es hat auch damit zu tun, dass bei der Öffnung des Strommarktes keine staatliche Regulierungsbehörde gegründet wurde, die gegen entsprechende Wettbewerbsbenachteiligungen durchgreifen könnte, wie es bei der Liberalisierung des Telekommunikationsmarktes noch der Fall war. Die Folge der mangelnden Kontrolle sind immense – und kaum jemals geahndete – Schikanen der alten Gebietsmonopolisten und Netzbetreiber gegenüber neuen Anbietern, die Kunden abwerben wollen.

Atomfrei geht‘s nicht

Auch politisch ist der Strommarkt heftig umkämpft. Die Atomkraft spaltet die Gesellschaft seit mehr als zwei Jahrzehnten. Wer den Stromanbieter wechselt, möchte meist die Atomkraftwerksbetreiber nicht länger unterstützen. Doch das ist leichter gesagt als getan. Denn es gibt streng genommen keinen Ökostrom. Jeder Kunde hat in seiner Steckdose einen Mix aus allen möglichen Kraftwerken. Deutschland und große Teile Europas sind durch Hochspannungsleitungen verbunden. Man kann sich das vorstellen wie einen großen See, in den alles hineinfließt, und jeder schöpft an einer Stelle. Daraus ergibt sich für Ökostromkunden derselbe Mix wie für Yellostrom-Kunden. Nur: Sie zahlen ihr Geld an den Ökostromanbieter anstelle des normalen Versorgers.

Innerhalb des Mixes beträgt der Anteil von sauberem Strom rund 6 Prozent, aber lediglich 1 Prozent der Deutschen bestellen – und bezahlen – ihn. Neue Ökostromkunden führen also zunächst nur zu einer Umverteilung unter den Stromabnehmern. Erst wenn die Nachfrage größer ist als das Angebot, werden Ökostrombestellungen neue Windräder und Sonnendächer nach sich ziehen.

Der kürzlich aus Bayernwerk und PreussenElektra fusionierte neue Großkonzern E.ON nützt diese Situation aus. Die Bayernwerk AG hat 16 Prozent Wasser in ihrem Mix, den sie nun imagefördernd separat verkaufen kann, während die alten Kunden einfach etwas mehr Atomstrom (Anteil 61 Prozent) bezahlen. Hier wird also einfach umgebucht, die Zusammensetzung im Stromsee bleibt identisch.

Seriöse Ökostromanbieter gehen anders vor. Sie achten darauf, Strom in Ökokraftwerken zu gewinnen, die entweder noch nicht abgeschrieben sind oder direkt neu gebaut werden. So ist sichergestellt, dass der Kunde auch tatsächlich mit seinem Stromwechsel die Energieversorgung umweltfreundlicher macht. Um für Kunden transparent zu machen, um wen es sich handelt, hat das Ökoinstitut für sein Zertifikat ein Neuanlagen-Kriterium eingeführt. Neuanlagen sind Anlagen, die seit der Strommarktöffnung 1998 entstanden sind. Ältere, noch nicht abgeschriebene Anlagen können ebenfalls teilweise angerechnet werden, solange sie nicht vor 1995 entstanden sind. Eine Sanierung wird angerechnet.

Die Kriterien des Öko-Instituts werden jedoch nicht allen Anbietermodellen gerecht. Greenpeace-energy etwa garantiert seinen Kunden rechtlich verbindlich, innerhalb von spätestens drei Jahren ganz neue Anlagen zu bauen. Vorübergehend kommt der Strom aber aus älteren Anlagen. Beim Öko-Institut müsste Greenpeace-energy mit einem Neuanlagenanteil von derzeit rund 60 Prozent schlechter bewertet werden als Konkurrenten, die ausschließlich Anlagen von 1998 nutzen – obwohl garantiert immer neue Anlagen hinzukommen.

Besonderes Aufsehen erregte der Ökostrom-Vergleich der Stiftung Warentest im Mai-Heft von test, der in Anlehnung an die Öko-Instituts-Kriterien durchgeführt wurde. Allerdings werteten die Warentester solche Firmen ab, die das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) für sich nutzen.

Tatsächlich ist das eine Frage, die die Ökostromszene spaltet. Das EEG erlaubt jedem Betreiber eines Windrades, einer Biogasanlage oder etwa eines Solardaches, den Strom ins Netz zu speisen – und garantiert dafür eine (in vielen Fällen kostendeckende) Vergütung, die auf alle Stromkunden umgelegt wird.

Während viele Ökostromanbieter wie Heag NaturPur AG, Bewag, Greenpeace oder Lichtblick das „Händler- oder Versorgermodell“ verfolgen, also Öko-Kraftwerke unter Vertrag nehmen, den Strom voll bezahlen und an den Kunden durchleiten, gehen einige Anbieter einen anderen Weg. Die Ökostrom Handels AG, Naturstrom, Elektrizitätswerke Schönau (EWS) und viele Stadtwerke praktizieren das so genannte Zuschussmodell. Dabei verlangen die Anbieter einen Aufpreis auf den normalen Strompreis, von dem sie neue Ökostromanlagen fördern. Der alte Stromversorger bleibt Lieferant, aber die Ökostromfirmen speisen dafür so viel Ökostrom ein, wie der Kunde verbraucht. Vorteil: Der Ökostromanbieter muss keine teuren Durchleitungsverträge aushandeln. Nachteil: Der alte Stromversorger bleibt im Geschäft. Naturstrom, EWS und die 36 Stadtwerke nutzen nun mit ihrem regionalen „energreen“-Angebot das EEG aus. Sie suchen sich Kraftwerksprojekte, die allein mit dem EEG nicht finanzierbar wären – und zahlen die Differenz.

Die Stiftung Warentest begründete die Abwertung damit, dass sich Naturstrom und EWS die geförderte Strommenge nicht voll anrechnen lassen dürften, sondern nur die Differenz, die sie zuschießen abzüglich herkömmlicher Stromproduktionskosten. Laut Öko-Institut wäre das nur die Hälfte. Zum Ausgleich können die Unternehmen aber zwei Argumente für sich verbuchen: So entstehen in jedem Fall Kraftwerke, die sonst nicht entstanden wären. Und der Ökostromkunde zahlt nicht allein, sondern über das EEG auch die Allgemeinheit. Warum sollen schließlich nur die Umweltbewussten zahlen? Entsprechend haben die Umweltverbände EWS und Naturstrom das „Grüner Strom Label“ verliehen.

Allerdings weichen die Trennlinien zwischen den Modellen inzwischen auf. Naturstrom ersetzt nun den alten Versorger durch ein Stadtwerk, das eine atomfreie Grundversorgung liefert. Die EWS bietet beide Varianten alternativ.

Wem soll man glauben?

Für den Kunden stellt es sich also so dar: Die Ökostromanbieter sind zerstritten. Greenpeace empfiehlt seine (und nur seine) Firma, der BUND und der Nabu unterstützen den Weg von Naturstrom, die sie selbst mit gegründet haben. Dagegen wertet die Stiftung Warentest Naturstrom und EWS ab und adelt die Produkte von Bewag, Lichtblick und Ökostrom Handels AG. Wem soll man nun glauben?

Die taz hat sich deswegen zu dem besonderen Schritt dieser Ökostrom-Kampagne entschlossen, bei der wir ausnahmsweise Anbieter konkret empfehlen. Alle sieben tragen auf ihre Weise zur umweltfreundlichen Stromversorgung bei. Regionale Anbieter haben wir als überregionale Zeitung unberücksichtigt gelassen, auch wenn einige ähnlich wie die ausgesuchten Unternehmen vorgehen. Einige der Unternehmen tun etwas mehr und sind etwas teurer, andere tun etwas weniger, kosten aber auch nicht einen so hohen Aufpreis. Jeder trägt zu einer Verbesserung des deutschen Strommixes bei.

MATTHIAS URBACH