Hessens Staatsminister belastet

Der frühere Fraktionsgeschäftsführer der CDU und heutige Staatsminister Franz-Josef Jung wird in der Spendenaffäre belastet. Interner Bericht des Finanzberaters Horst Weyrauch zum Fall Reichmann widerspricht seinen Aussagen. SPD und Grüne erbost

von KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

Die Glaubwürdigkeit von Franz-Josef Jung ist nach Ansicht der hessischen Grünen angeschlagen. Der Staatsminister in der Staatskanzlei von Ministerpräsident Roland Koch (CDU) habe nämlich als Zeuge vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss in Berlin zur Affäre um schwarze Kassen und illegale Spendengelder bei der CDU nicht die Wahrheit gesagt, lautet der Vorwurf.

Vor dem Ausschuss des Bundestages jedenfalls hatte Jung wiederholt beteuert, nur Zeuge der dubiosen Vorgänge um den untreuen früheren Buchhalter der hessischen CDU, Franz-Josef Reichmann, gewesen zu sein.

Jetzt wurde Jung, der bereits in Berlin ausgesagt hatte, nie mit der Sache befasst gewesen zu sein, als Auftraggeber für einen Prüfbericht zum peinlichen „Komplex Reichmann“ geoutet. Der Autor dieser internen Studie war ausgerechnet der Finanzberater der CDU, Horst Weyrauch. Das Detail ist deshalb pikant, weil der heutige Staatsminister Jung selbst behauptet hatte, Weyrauch sei nie mit dem Fall Reichmann betraut gewesen.

Reichmann war Buchhalter in der Geschäftsstelle der Union und hatte die Parteikasse und die der Landtagsfraktion Ende der 80er- und Anfang der 90er-Jahre um insgesamt rund 2,2 Millionen mit gefälschten Schecks erleichtert. Reichmann wurde dafür von der Union nicht angezeigt. Und er brauchte nur einen Bruchteil der unterschlagenen Summe zurückzuzahlen.

Der große Rest zur Deckung der entstandenen Lücke in den Kassen kam von den schwarzen Konten der Union im Ausland.

Über den gesamten Vorgang fertigte der ehemalige Finanzberater der CDU im Bund und in Hessen, Horst Weyrauch, 1992 einen ausführlichen Bericht an. Dieser wurde jetzt dem Hessischen Rundfunk (hr) zugespielt.

Darin heißt es unmissverständlich, dass Jung der Auftraggeber für diesen internen Untersuchungsbericht gewesen sei und er – Weyrauch – die ganze Affäre lediglich für die Parteiführung aufgerollt habe. Für die Parteiführung? Der amtierende Staatsminister und Vertraute von Ministerpräsident Roland Koch (CDU) war von 1987 bis 1991 Generalsekretär der hessischen CDU und danach – bis 1999 – Geschäftsführer der Landtagsfraktion.

Als Generalsekretär war Jung ganz sicher zuständig für die Kasse der Partei; und als Fraktionsgeschäftsführer für die der Landtagsfraktion.

Für die Oppositionsparteien SPD und Bündnisgrüne im Hessischen Landtag steht nicht nur deshalb fest, „dass Jung den Ausschuss in Berlin belogen“ habe, weil er dort auch erklärte, dass Weyrauch an der ganzen Sache „nicht beteiligt gewesen“ sei. Jung dürfe also jetzt ganz offen „Lügner“ genannt werden, so SPD-Obmann Jürgen Walter; und „Stümper“ dazu.

Denn als Jung bei der Union der Kassenwart gewesen sei, seien dort die „Blankoschecks offenbar nur so durch die Gegend geflogen“.

SPD und Bündnisgrüne im Hessischen Landtag sehen auch Roland Koch in diese „Affäre in der Affäre“ verwickelt. Denn Koch war in der fraglichen Zeit der Vorsitzende der Landtagsfraktion der CDU. Weil Reichmann damals straffrei ausging und den Löwenanteil der veruntreuten Gelder – rund 1,5 Millionen Mark – sogar noch behalten durfte, glaubt die Opposition heute, dass die Spitze der CDU in Hessen von Reichmann erpresst wurde. Denn „natürlich“ habe der Buchhalter das System der schwarzen Kassen gekannt und von der Geldwaschanlage der hessischen CDU in Lichtenstein gewusst, sagte Walter (SPD): „Und deshalb fährt Reichmann noch heute mit einem dicken Mercedes durch die Landschaft.“