dreßler zu jerusalem
: Eine Meinung, die Klarheit verschafft

Rudolf Dreßler, der designierte Botschafter der Bundesrepublik in Israel, hat sich noch vor seinem Amtsantritt etwas erlaubt, was ein geschulter Diplomat an seiner Stelle nie getan hätte: Er hat seine Meinung gesagt. Jerusalem sollte, schlug er vor, unter internationale Verwaltung gestellt werden. Ungeschickter könnte man sich als Botschafter nicht einführen, trifft der SPD-Politiker doch ausgerechnet mit der Frage des Status der Heiligen Stadt einen empfindlichen Punkt, der jüngst zum Abbruch der Verhandlungen zwischen Israel und der PLO führte.

Kommentarvon SEVERIN WEILAND

Nun hat Dreßler eine Erklärung abgegeben, die in der Sache nichts zurücknimmt, aber formal klarstellt: Er hat gar nicht als künftiger Botschafter gesprochen, sondern als Vorsitzender eines SPD-Arbeitskreises „Israel“. Ach so. Und naiv trotzig fügte er hinzu, dass er das Gleiche schon vor acht Jahren gesagt habe.

Dresslers Zweiteilung – hier der Botschafter, dort der SPD-Politiker – ist exemplarisch, wirft sie doch ein Licht auf andere Fälle. Erinnern wir uns an den Vortrag seines künftigen Dienstherrn Joschka Fischer in der Berliner Humboldt-Universität. Seine Ideen zu einem künftigen Europa, betonte Fischer gleich mehrmals, äußere er als „Privatmann“. Und auch Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye stellte Anfang der Woche eine Prominenten-Kampagne gegen rechts als „Privatperson“ vor.

Nett gedacht. Nur: Aktive Politiker sind, sobald sie an die Öffentlichkeit gehen, nie Privatmenschen, und das gilt sogar für die Wahl ihres Urlaubsortes. Das Spiel mit dem Privaten ist Koketterie und führt zum – oft ja beabsichtigten – Gegenteil: Die reizüberflutete Öffentlichkeit soll bitte schön aufhorchen! Und genauso geht es augenblicklich Rudolf Dreßler. Wenn er nicht als künftiger Botschafter gesprochen hat, als was dann? Als Privatmann mit SPD-Parteibuch?

Für den Fauxpas sollte Israel dem nicht gelernten Diplomaten dankbar sein. Seine Bemerkung ist auf jeden Fall eines: ehrlich. Deshalb sieht man im dortigen Außenministerium die Angelegenheit bislang gelassen. Auch wenn einzelne Politiker in Israel protestieren, weiß man in Tel Aviv: Nicht Dreßler, der seine Meriten als kämpferischer Sozialpolitiker gewann, sondern Joschka Fischer wird die große außenpolitische Linie festlegen, besonders in einer solch heiklen Frage wie der Zukunft Jerusalems. Und Fischer ist mittlerweile bekanntlich ein Diplomat.

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