Über das Kleid des weiblichen Körpers

■ Die Bremer Sektion des Expo-Projekts Internationale Frauenuniversität ist gestern zu Ende gegangen: 140 Frauen setzten sich mit dem Thema „Körper“ auseinander

„Wir sind Menschen, die mit einem weiblichen Körper bekleidet sind“, schreibt Patricia McFadden aus Zimbabwe im Vorwort zum Programm der Internationalen Frauenuniversität (ifu). Drei Monate lang treffen rund 900 Frauen – Wissenschaftlerinnen, Forscherinnen, Angehörige von NGOs (non governmental organisations) – in Hannover aufeinander, lernen, diskutieren und leben miteinander. Und sind Bestandteil der Expo. Einige Bereiche der der ifu sind ausgegliedert. So fand der Projektbereich „Körper“ mit rund 140 Teilnehmerinnen in den vergangenen zwei Wochen in Bremen statt. Gestern endete die Bremer ifu-Zeit.

Patricia McFadden ist internationale Dekanin des Projektbereichs „Körper“ der ifu und hat den Frauen die Aufgabe gestellt zu hinterfragen, wie der Körper von Frauen weltweit beschrieben und konstruiert wird. So ging es die vergangenen zwei Wochen um die Themen Sexualität, Körpersprache sowie die Rolle des Körpers in den Neuen Medien.

Der Begriff „Körpersprache“ sagt es: Wir haben nicht nur Stimme und Schrift, sondern vermitteln Informationen durch unseren Körper. Zum Beispiel drücken wir Gefühle mit zarten oder groben Bewegungen aus. Ein Beispiel: der indische Tanz. Zwei Frauen aus Indien hatten auf dem Künstlerinnenhof „Die Höge“ Tänze aus ihrem Land gezeigt und die Zuschauerinnen mit ihrer Fülle an Gesten und getanzten Gefühlen beeindruckt. Wie solche Tänze instrumentalisiert werden, wurde später bei einer Diskussion deutlich: Eine Teilnehmerin erläuterte, wie die indische antikoloniale Nationalbewegung viele traditionelle indische Tänze in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts wieder aufgegriffen und für ihre Zwecke eingesetzt habe.

Das Element der Grazie im indischen Tanz ähnelt der Grazie in westeuropäischen Kulturen. In einem Vortrag verband Sigrid Schade, Professorin für Kunst an der Uni Bremen, die indische Performance mit ihrer Forschung und erklärte, wie Grazie vom 18. Jahrhundert an Diktat in der Mädchenerziehung wurde: graziös zu sein ist nicht angeboren. Mit Grazie könnten Mädchen fehlende Schönheit wettmachen – diese Anschauung galt lange Zeit. Wagt ein Mann es, graziös zu sein, wird er für homosexuell gehalten und diffamiert.

Fast alle Bewegungen von Menschen seien erlernt, erläuterte Schade, und heute sei bekannt, dass sie im Kontext des Geschlechts stehen. Genauso aber seien sie je nach Kultur verschieden. „Wir sehen“, so Sigrid Schade, „ein Körper existiert nicht einfach. Der sprechende Körper ist ein ge- und besprochener Körper.“ Wie steht es mit der Scham, fragte sie weiter. Auch sie sei erlernt. Eine Zuhörerin bestärkte die Dozentin in dieser These. Sie schäme sich als junge Frau ohne Schleier vor ihren Familienangehörigen. Ihre Scham sei verschwunden, wenn sie ihre universitären Kreise betrittt, wo das Auftreten ohne Schleier akzeptiert ist.

Nicht immer gelang es den Veranstaltungen, derart anschaulich Brücken zu schlagen zwischen westlichen, afrikanischen, asiatischen oder südamerikanischen Kulturen und den dort geprägten Bildern. „Ich habe sehr wohl Interesse an einem Seminar über neue deutsche Literatur, von der ich in meinem Land nichts mitbekomme“, erklärte eine Afrikanerin. Gemeinsam mit einer Inderin bedauerte sie, dass die besprochenen Texte nur im deutschen Original, nicht jedoch in englischer Übersetzung vorlagen. Ein ähnliches Problem hatte die Dozentin Julika Funk in ihrem Seminar: Sie wollte zwei Klassiker aus der europäischen Lesbenliteratur behandeln, die den Teilnehmerinnen aus anderen Ländern aber völlig unbekannt waren. Denn in ihrer Heimat leiden Lesben unter viel existenzielleren Problemen, etwa der Strafverfolgung von Homosexualität. Vielleicht, so fragten einige Zuhörerinnen, sei die Homophobie in einigen Ländern Folge der christlich geprägten Kolonialisierung? Die Frage nach neuen Körperbildern von Lesben sei westlich geprägt, beschwerten sich Forscherinnen aus anderen Ländern.

Um Intersexualität ging es in dem Vortrag von Katerina Thomadaki. Gemeinsam mit Maria Klonaris arbeitet sie seit 25 Jahren an dem Versuch, die festen weiblichen Körperbilder als durchlässig und veränderbar zu zeigen. Sie filmen sich gegenseitig, benutzen ihre Körperoberfläche als Leinwand und brechen mit filmischen Codes. Seit einigen Jahren beschäftigen sich beide mit Intersexualität und „menschlichen Monstern“. Das zu medizinischen Zwecken aufgenommene Foto einer Intersexuellen verwandeln sie zum Bildnis eines Engels. Intersexuelle brechen Geschlechtsbilder auf, lautet die Botschaft.

Sie beenden und vereinigen die sexuelle Dualität, die Menschen zugeschrieben wird. Gerade deswegen, so die These der beiden Künstlerinnen, werden sie von ÄrztInnen verstümmelt. Zumindest in Westeuropa ist es nicht opportun, keines oder gar beide Geschlechter zu haben. Bei dieser Veranstaltung blieben Weiße unter sich – farbige Frauen fehlten. Als hätten sie es geahnt, dass sie diese Verbindung zu ihren Kulturen selbst herstellen müssten.

Gudrun Fischer