der deutsche antifaschismus: im felde unbesiegt von WIGLAF DROSTE
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Der deutsche Antifaschismus ist einfach nicht totzukriegen. Seit Anfang August bekommt man eine Ahnung davon, wozu die Deutschen fähig sind, wenn sie mit ihrem Antifaschismus erst mal Ernst machen. Da wird nicht mehr abseits gestanden – da wird gehandelt. „Jetzt ist die Zeit der Macher, nicht der Bedenkenträger“, dröhnt Gerhard Schröder, einer der banalsten Männer des Universums. Was sonst soll er sagen? Außer Klappe aufreißen hat er ja nichts gelernt.

Speziell die Kunst will sich nicht nachsagen lassen, sie habe fahrlässig geschwiegen. In einer ZDF-Sondersendung am 2. August gerinnt die Schauspielerin Renan Demirkan zur Mutter der antifaschistisch gestrickten Nation. Bei ihr sitzt der Brandenburger Ministerpräsident Manfred Stolpe. Wie in sich selbst eingenäht hockt er da, versteinert, petrifiziert – eine Technik, die er bei der Abwehr leidiger Stasi-Vorwürfe erlernt und perfektioniert hat. Der bayerische Innenminister Günther Beckstein macht einen vergleichsweise fidelen Eindruck; wenn man ihm, dem netten Fossy-Bär, die Sache nur überlasse, werde schon alles gut.

Beckstein, hervorgetreten durch rabiate Abschiebepraxis und durch die Einteilung von Ausländern in nützliche und weniger nützliche, fordert ein Verbot der NPD. Schließlich hat die NPD auch Wähler; die möchte seine CSU zurückgewinnen respektive erobern. Es beginnt der antifaschistische Dialog zwischen Günter Beckstein und Renan Demirkan, die keine Fragen hat, nur Ausrufungszeichen. „Herr Beckstein, Sie haben mich auf Ihrer Seite!“, ruft sie emphatisch. Beckstein lobt sich dafür, dass er in Bayern „Vereinigungen in Serie verboten“ habe. Renan Demirkan erneuert ihr Bekenntnis: „Herr Beckstein, Sie haben mich auf Ihrer Seite!“ – um sich dann zu vorher nicht ahnbaren Höhen aufzuschwingen: „Ich schwöre Ihnen, Herr Beckstein!“, schwört sie, die Mimik ganz Auge, die Gestik ganz Faust. Die Szene erinnert stark an Uwe Barschels Ehrenwort und an das jungmännertürkische „Ey Allta, isch schwörre!“

„16 Jahre Helmut Kohl“, behauptet Demirkan, seien an allem schuld, auch an den neuen Nazis. Ihre Stimme hat das pathetische Timbre einer Überzeugung, der niemand widersprechen darf, ohne sich sogleich als Miesling zu entlarven. „Ein einziges Wegsehen“ sei das gewesen bei Kohl, sagt Demirkan. Schon möglich. Seit ich aber 1999 das Kosovokriegstagebuch „Wir dürfen nicht wegsehen!“ des Charakterpornographen Rudolf Scharping las, möchte ich mir moralisch aufgegeiltes Hinglotzen von niemandem befehlen lassen – auch nicht von Renan Demirkan, deren Mutti-Courage-Gefuchtel dem gleichen Zweck dient wie Scharpings Gebell: all jene, denen der Gedanke lieber ist als das Gekreisch, zu denunzieren als fühllose Existenzen von minderer Moral.

Den vielen Künstlern hingegen, die so tapfer Gesicht und Flagge und vor allem ganz doll sich selbst zeigen als Klassenbeste im Grundkurs deutscher Antifaschismus, ist ab sofort nicht mehr der geringste Vorwurf zu machen. Und das ist ja auch der Zweck der Übung.