Wer hat Angst vor Werner?

Nach dem 1:2 bei Leeds United träumt der TSV 1860 München vorsichtig von der Champions League. Dort angekommen, könnten sie dann in der Berichterstattung mit Bayerns E-Jugend gleichziehen

aus Leeds RONALD RENG

Wer hat Angst vor Werner Lorant? Paul Agostino nicht. Der australische Stürmer des TSV 1860 München saß als einziger Spieler noch nach Mitternacht an der Bar des Weetwood Hall Hotels in Leeds – in Brüllweite von Trainer Lorant. Aber Agostino ahnte wohl, dass er sich in dieser Nacht etwas erlauben durfte. Sein Kopfballtor in der Nachspielzeit des Champions-League- Qualifikationsspiels beim letztjährigen Uefa-Cup-Halbfinalisten Leeds United macht die 2:1-Niederlage erträglich: Das Resultat lässt sich nachbessern im Rückspiel in München.

„Ich bin nicht glücklich, aber glücklich genug“, sagte Agostino. Ein unlogischer Satz, der bestens die Lage nach einem kuriosen Spiel beschreibt. „What the fuck is going on?“, sang der Großteil der 33.000 Zuschauer an der Elland Road, als sechs Minuten vor Spielschluss mit Leeds’ Norweger Eirik Bakke der dritte Profi nach 1860-Libero Ned Zelic und Leeds- Mittelfeldmann Olivier Dacourt des Platzes verwiesen wurde. Zu diesem Zeitpunkt war Lachen die einzige angemessene Reaktion, denn ein Spiel drohte ins Absurde zu gleiten.

Wieder einmal schien 1860 mit Macht an der Legende stricken zu wollen, dass sie sich im entscheidenden Augenblick schaden. Zwei Momente des Wahnsinns genügten, 40 konzentrierte Anfangsminuten auszulöschen. Verteidiger Martin Stranzl leitete mit einer schlechten Kopfballrückgabe das 1:0 für Leeds ein. Und Zelic handelte sich zwei Minuten später die Rote Karte für ein versuchtes Foulspiel ein.

Doch ein Moment der Inspiration genügte, um zuletzt zu lachen: Durch Agostinos späten Treffer kam manchem Münchner die Niederlage wie ein Sieg vor. Karl-Heinz Wildmoser, dem Präsidenten, rutschte sogar das Wort „Traumergebnis“ raus. „Ich hatte doch im Hinterkopf, wir könnten heute faktisch schon ausscheiden, und nach dem Tor zum 2:0 waren wir auch schon fast weg“, so Wildmoser. Jetzt sind sie wieder da, zum ersten Mal nahe dran an der europäischen Eliteliga – auch wenn es nicht zwingend nach Champions League, Meisterklasse, aussah, was die 23 Mann auf dem Fußballplatz vorführten.

Was zum Teufel ging hier vor? „Fragt mich nicht, fragt mich nicht“, bat Leeds’ Trainer David O’Leary, und jeder wusste, nach wem nicht gefragt werden sollte. Dabei profitierte O’Learys Team doch auch von den wahllosen Entscheidungen des Referees aus Zypern. Die Rote Karte für 1860s Zelic erkannte selbst O’Leary als „Witz“, und der Elfmeter für Leeds, den Ian Harte zum 2:0 verwandelte, war eigentlich nur ein Freistoß, weil Harald Cerny Alan Smith außerhalb des Strafraums foulte.

Werner Lorant hätte Grund zum Meckern gehabt – aber er fand in seiner bemerkenswerten Logik die Strafen des Schiedsrichters richtig. Gestraft gehörten sie, „denn warum geht er als Abwehrchef an der Mittellinie zweimal so extrem rein“, sagte er über Zelic, „da muss er schlauer sein, da war er übermotiviert.“ Und der Elfmeter, „die Situation darf doch gar nicht entstehen, aber da will einer wieder den Ball aus der Abwehr dribbeln“.

Martin Stranzl wird wissen, um wen es geht. Der Österreicher war an diesem Abend etwas überfordert. Vielleicht ist der eine oder andere dem Niveau auch nicht gewachsen. Martin Max, der Torschützenkönig der Bundesliga, sah nicht so aus, als ob er wüsste, was Leeds’ vehemente Innenverteidiger Radebe und Duberry mit ihm machten.

Am Ende allerdings waren sie alle glücklich, dass sie sich achtbar bei ihrem ersten Abenteuer in der großen Welt des Fußballs geschlagen hatten. 1860 in der Champions League? Es ist an der Elland Road ein bisschen wahrscheinlicher geworden. Auch wenn der Präsident noch immer in anderen Dimensionen denkt. 1860 in der Champions League? Karl-Heinz Wildmoser beschwerte sich unlängst beim Lokalblatt Münchner Merkur, es berichte mehr über die E-Jugend des FC Bayern als über die Profis von 1860.

Leeds United: Martyn - Kelly - Radebe, Duberry, Harte - Bowyer, Dacourt, Bakke - Bridyes (80. Mills), Viduka, Smith 1860 München: Hofmann - Kurz, Zelic, Stranzl (83. Winkler) - Cerny, Votava, Mykland, Bierofka (46. Paßlack) - Häßler, Agostino, MaxZuschauer: 33 000; Tore: 1:0 Smith (41.), 2:0 Harte (70./Foulelfmeter), 2:1 Agostino (90.)