zwischen den rillen
: Geschniegelter Sound mit sozialer Kompetenz: George Benson geht vom Jazz in die Tanzcharts

Ghetto Biz

Business und Professionalität sind die zwei großen Themen des Jazzgitarristen George Benson. Als sich der Multimillionär mit Wohnsitzen in New Jersey und Hawaii Ende Juli in einer Concorde auf dem Heimweg von einer mehrwöchigen Europatournee befand, musste der Flieger wegen technischer Defekte auf Neufundland notlanden. Benson, der mit dem Schrecken davonkam, ließ jedoch schon kurz darauf verlauten, dass British Airways echt cool sei, weil die Firma so einen superprofessionellen Notfall-Service habe.

Benson sieht sich selbst als Profi schlechthin. In der ausverkauften Avery Fisher Hall, wo sonst die New Yorker Philharmoniker aufführen, trat der Smooth-Jazz-Star diesen Sommer mit großem Streichorchester auf, um für sein aktuelles Album „Absolute Benson“ zu werben. Doch zu Bensons Vorstellung von Profitum gehört es leider auch, dass seine langjährige Tourneeband zwar auf seine großen Hits wie „This Masquerade“ und „Give Me The Night“ abonniert ist, die jüngeren Benson-Produktionen mit dem DJ-Team der Masters At Work jedoch bestenfalls als Füllmaterial mal kurz zitiert werden, als sei pure Redundanz das Geheimnis des Live-Kontextes. Schließlich hat der 57-Jährige, der Eintrittspreise bis zu 100 Dollar verlangt, eine große Anhängerschaft unter afroamerikanischen Anwälten und Steuerberatern um die 45 plus, die völlig aus dem Häuschen geraten können, wenn sie seine alten Hits zu hören bekommen. Standing Ovations für relativ belanglos scheinende Fahrstuhlmusik begleiten das Phänomen Benson nun schon seit fast drei Jahrzehnten.

Schon in den Sechzigern begann Benson seine Karriere als Jazzgitarrist, vor fünfundzwanzig Jahren erreichte er mit seinem Album „Breezin“ Superstar-Status. Seitdem gewann er acht Grammys und verdiente Millionen mit soften Sounds und popformatiertem Soul. Er prägte damit das in Amerika heute sehr erfolgreiche Smooth-Jazz-Format. Typische Beispiele für dieses eigentümliche Genre sind instrumentale Coverversionen von R & B- und Soul-Schnulzen. Jedes neue Album von George Benson ist somit eine Gratwanderung zwischen Soundmüllhalde und grandiosem Covertum, und Bensons selbstverliebtes Gitarrengeschmalze zu Stevie Wonders „Lately“, auf seinem neuen Album „Absolute Benson“ zu hören, hat da schon fast paradigmatische Qualität.

Dabei geht Benson mit dem Ray-Charles-Song „Come Back Baby“ so respektvoll um, als wolle er die Grundlagen des Black-Music-Genres redefinieren. Im Zentrum seines neuen Albums steht jedoch eine neue Version des Soul-Klassikers „The Ghetto“ von Donny Hathaway, die schon vor Veröffentlichung des Albums zum Jahresbestentitel in den deutschen Clubcharts aufstieg. Acht Wochen lang, also über die maximale Verweildauer, lag „The Ghetto“ vorne, womit der Song jetzt schon der Club-Hit dieses Jahres sein dürfte – kein Titel konnte sich bisher so lange auf Platz eins dieser Charts behaupten.

Mit „The Ghetto“ setzt das Produzentenduo Masters At Work ihre erfolgreiche Zusammenarbeit mit Benson fort. Sie halten sich weitgehend an das Partygroove-orientierte Donny Hathaway-Original von 1970. Bei Hathaway war das Ghetto noch exklusiv afroamerikanisch – all soul. Bei Benson geht „The Ghetto“ in dessen Eigenkompositon „El Barrio“ über; das spanische Synonym steht für den New Yorker Stadtteil Spanish Harlem. Bei Hathaway lag die Betonung mehr auf „This (Is The Ghetto)“ als afroamerikanischer Lebenswelt, vorgeführt nach dem Motto: Weiße, schaut her, was ihr nicht habt.

Nun wuchs Benson selbst, wie Hathaway auch, einst im Ghetto auf, und auch seine Einspielung demonstriert vor allem eines: soziale Kompetenz. Benson und Hathaway schafften beide den Weg aus dem Ghetto zum Superstar, sie wurden zu Helden, weil sie es geschafft hatten. Dreißig Jahre nach Hathaways Ghetto-Party verortet Benson die Hörer nun von vornherein im Mittelpunkt des Geschehens, das Ghetto als gemeinsamen Ort voller Vibe und Groove. Die Masters-At-Work-Remixe von „The Ghetto“ und „El Barrio“, die auf einer zusätzlichen kurzen Radio-Edits-CD zirkulieren, verhalten sich gegenüber dem Original aber vor allem redundant.CHRISTIAN BROECKING

George Benson: „Absolute Benson“ (Verve / Universal)