EU-Staatsanwaltschaft erwünscht

EU-Kommissarin Schreyer favorisiert neues Gremium, das Betrugsstraftaten zu Lasten der Union verfolgen soll

FREIBURG taz ■ Die für Haushaltsfragen zuständige deutsche EU-Kommissarin Michaele Schreyer will eine europäische Staatsanwaltschaft einführen. Mit ihrem für den Justizbereich zuständigen Kommissionskollegen Antonio Vitorino arbeitet sie derzeit an einem entsprechenden Papier. Diese EU-Staatsanwaltschaft hätte vorerst allerdings nur eine schmale Zuständigkeit bei der Verfolgung von Betrugsstraftaten zu Lasten der Europäischen Union.

So bescheiden der Vorschlag wirkt, so schwierig ist seine Umsetzung. Zuerst müsste nämlich der EU-Vertrag einstimmig geändert werden, weil dort bisher eine europäische Staatsanwaltschaft nicht vorgesehen ist. Da trifft es sich gut, dass im Rahmen der anstehenden EU-Erweiterung derzeit ohnehin Vertragsänderungen geplant werden. Dass die Kommission dabei das Thema EU-Staatsanwaltschaft auf die Tagesordnung setzen will, ist schon seit Januar bekannt. Ein konkreter Vorschlag für die Vertragsänderung soll im Kommissionskollegium allerdings erst am 13. September beschlossen werden. Am Entwurf wird noch gearbeitet.

Der Kommission ist klar, dass sie auf jeden Fall mit Widerstand bei den Mitgliedsstaaten zu rechnen hat, denn hier wird in deren Zuständigkeiten eingegriffen. Bisher ist meist die Staatsanwaltschaft des Tatortes zuständig, wenn ein Betrug zu Lasten der EU-Kassen aufgedeckt wurde. Unausgesprochen steht dabei der Vorwurf im Raum, dass hier gegen eigene Landsleute meist nicht effizient genug ermittelt wird, wenn der Schaden „nur“ in Brüssel eintritt. Eine Europäische Staatsanwaltschaft könnte an den nationalen Staatsanwaltschaften vorbei selbst die Anklage beim zuständigen Strafgericht erheben. Sie könnte dabei auf die Arbeit der EU-Betrugsermittlungsbehörde OLAF zurückgreifen. Ob auch Weisungsbefugnis gegenüber nationalen Polizeibehörden geplant ist, konnte die Kommissionssprecherin gestern nicht mitteilen.

Wie schwierig Fortschritte im Bereich der Justiz-Zusammenarbeit sind, zeigt ein anderes Projekt, das derzeit auf EU-Ebene verfolgt wird. Beim EU-Gipfel in Tampere (Oktober 1999) wurde beschlossen, eine Eurojust genannte Behörde einzurichten. Wie bei Europol sollen nationale Verbindungsbeamte in einem Haus untergebracht sein, wobei es hier um die Zusammenarbeit der Staatsanwaltschaften aus den 15 EU-Staaten geht. Allerdings haben sie sich noch nicht einigen können, wie die Befugnisse von Eurojust aussehen sollen. CHRISTIAN RATH