Zu sehr verflochten

EU-Kommission rügt Deutschland: Gasmarkt nicht schnell genug liberalisiert. Verbändevereinbarung reicht nicht

BERLIN taz ■ Nach der Liberalisierung des Strommarktes ist jetzt der Gassektor dran: Gestern trat eine vor zwei Jahren verabschiedete EU-Richtlinie in Kraft, nach der ab sofort mindestens 20 Prozent des Erdgasmarktes für den Wettbewerb freigegeben werden müssen. Die Liberalisierung erfolgt stufenweise, 2010 sollen es 33 Prozent sein. Einige Länder haben ihren Markt schon heute bedeutend weiter geöffnet, Großbritannien gar zu 100 Prozent.

Deutschland musste sich gestern Kritik der Kommission gefallen lassen. Brüssel monierte, dass die Entflechtung der Energiebranche bisher nicht weit genug gehe. Stromkonzerne müssen laut Gesetz ihre Sparten Gas und Strom klar trennen, vom Management bis zur Buchhaltung. Das soll Quersubventionierungen verhindern.

Schon im September will die EU-Kommission ein förmliches Verfahren gegen Deutschland eröffnen, was letztlich zu einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof führen wird. Auch Frankreich und Luxemburg werden von der Kommission wegen unzureichender Umsetzung der Verordnung kritisiert.

Das Bundeswirtschaftsministerium sieht einer Klage gelassen entgegen. Die europäische Rüge sei eher eine politische als eine fachliche, hieß es in der Fachabteilung Energie. „Offenbar wollte die Kommission Frankreich, das bedeutend hinter unserem Liberalisierungsstand liegt, nicht alleine rügen“, erklärte ein Sprecher gegenüber der taz. Mit dem Energiewirtschaftsgesetz von 1998 seien Gebietsmonopole aufgehoben, ein Gesetz zur getrennten Buchhaltung solle im Herbst in den Bundestag eingebracht werden. Die meisten Unternehmen hätten die Trennung bis dahin ohnehin vorgenommen.

Zudem hatten Anfang Juli der Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft, BDI, der Bundesverband der deutschen Gas- und Wasserwirtschaft und der Verband der kommunalen Unternehmen nach zähen Verhandlungen eine Vereinbarung für den freien Gashandel, die VV Gas I, unterzeichnet. In dieser werden technische Details, Durchleitungs- und Handelstransparenz, Bezahlung und Laufzeit der Verträge zur Fremdnetznutzung geregelt.

Allerdings wird die bis zum 30. September 2001 befristete Vereinbarung nur dem Großhandel Vorteile bringen. Damit auch Haushalte und Kleingewerbe profitieren, hat Wirtschaftsminister Werner Müller die Verbände verpflichtet, das Regelwerk binnen 12 Monaten nachzubessern. NICK REIMER