Indien und die Unabhängigkeit

Der Weg Indiens in die Unabhängigkeit beginnt lange vor dem pazifistischen Kampf Mahatma Gandhis. Bereits 1857 wird in einem blutigen Aufstand und mit der Belagerung von Lucknow in Nordwestindien versucht, die Briten zu vertreiben. Der Aufstand wird niedergeschlagen und blutige Rache genommen. Den Briten gelingt es sogar, ihre Politik des „Teile und herrsche“ in dem Vielvölkerstaat und insbesondere zwischen Muslimen und Hindus zu verfeinern.

Die Agonie der indischen Unabhängigkeitsbewegung wird erst durch Mahatma Gandhi beendet. Der Anwalt, der 1894 in Südafrika einen Bund gegen die dort diskrimierten Inder gegründet hat, wird zu der Integrationsfigur. Sein Konzept der „Satyagraha“, des gewaltlosen Beharrens auf eigenen Rechten, entwickelte er mit seiner Rückkehr nach Indien 1915 innerhalb des Indian National Congress weiter.

Erste Kampagnen des zivilen Ungehorsams – etwa das Verbrennen der in Großbritannien hergestellten Bekleidung – werden durchgeführt. Die Briten reagieren immer wieder mit Verhaftungen, können aber der zunehmenden Popularität solcher Aktionen außerhalb Indiens wenig entgegensetzen. Zwar tritt Gandhi 1934 aus der Partei aus, bleibt aber bis zuletzt ihre moralische Instanz und mischt sich immer wieder in die internen Debatten des Congress ein.

Auch bei dem Kampf gegen Subhas Chandra Bose, der noch 1938 und 1939 zum Präsidenten des Congress gewählt wurde, zog Gandhi im Hintergrund die Fäden. Gandhi verübelte Bose dessen Eintreten für einen bewaffneten Kampf.

Die Briten, die mit nur hunderttausend Beamten damals rund 350 Millionen Inder regierten, gerieten immer stärker unter Druck. Vor allem die linksliberale Öffentlichkeit Großbritanniens fragte nach den Kosten der Herrschaft. Mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs verkündete der (britische) Vizekönig, auch Indien befinde sich im Krieg mit Deutschland.

Dies führte zu erneuten Spannungen. Sie entluden sich im August 1942 mit der Verhaftung der gesamten Spitze des Congress – darunter auch Jewaharlal Nehru, politischer Kopf der Partei und einer der Weggefährten Gandhis. Gandhi, der ebenfalls verhaftet und erst kurz vor Kriegsende freigelassen wurde, hatte kurz zuvor die Briten zum sofortigen Verlassen seiner Heimat aufgerufen.

Erst mit der Abwahl des britischen Premiers Winston Churchill öffnete sich der Weg in die Unabhängigkeit. Die neue Labourregierung unter Clement Attlee, die das Projekt Indien nun auch wirtschaftlich für untragbar hielt, entsandte mit Lord Mountbatten einen neuen Vizekönig. Dieser kam in raschen Verhandlungen mit Nehru und dem Muslimführer Mohammed Ali Jinnah zu Übereinkünften, die in die (von Gandhi abgelehnte) Teilung Großindiens mündeten.

Am 15. August 1947 wurde mit einem vorwiegend hinduistisch dominierten Indien und dem muslimischen Pakistan die seit 1763 andauernde Vorherrschaft der Briten beendet. Nehru wurde erster Premierminister Indiens. Gandhi jedoch, der sich für einen Ausgleich zwischen Muslims und Hindus eingesetzt hatte, wurde von einem fanatischen Hindu am 30. Januar 1948 ermordet.

Kurz vor ihrem Abgang fanden die Briten nicht mehr die Kraft, die Angehörigen der einst von Bose geführten und von den Japanern unterstützten Indian National Army (INA) zu bestrafen. Sie beugten sich 1946 dem Druck der Straße und verzichteten auf Massenverfahren gegen die rund 35.000 INA-Kämpfer. Stellvertretend wurden lediglich drei ihrer Offiziere (ein Hindu, ein Muslim, ein Sikh) nach einem Verfahren unehrenhaft aus der britischen Armee entlassen. SEV