„Architekten sind stilbewusste Menschen“

Gepunktete Krawatten, Baumwollhemden, geknöpfte Kragen: Wie sehen die Baumeister des „Neuen Berlin“ aus? Udo Hesse hat vier Jahre lang Porträts von Architekten fotografiert. Seine strengen, fast neutralen quadratischen Formate passen zum Berufsbild – nur der Brite mag es gerne etwas bunter

Interview NADINE LANGE

taz: Wie kommt man dazu Architekten zu fotografieren?

Udo Hesse: Die ersten Architekten habe ich Mitte der 80er-Jahre kennen gelernt, als ich für die Internationale Bauausstellung fotografiert habe. So kam ich zur Architekturfotografie und bin bis heute daheim geblieben – obwohl mein Herz nicht daran hängt. Mir liegt mehr an Porträts. Als nach der Wende immer mehr Architekten aus aller Welt in Berlin zu bauen begannen, kam ich auf die Idee, meiner Vorliebe für Porträts in dieser Szene nachzugehen.

In der Ausstellung hängen genau 66 Porträts. Wie kam es zu der Auswahl?

Zunächst habe ich die Architekten fotografiert, die ich schon kannte. Doch ich wollte von Anfang an alle die porträtieren, die für das „neue Berlin“ stehen. Der Architekt und Fachbuchautor Helmut Geisert hat mir dabei geholfen, eine Liste mit den 70 wichtigsten Namen zu erstellen. Die habe ich dann nach und nach abgearbeitet. Vier habe ich leider nicht dazu bewegen können, mitzumachen.

Wie lief es mit den anderen? Waren sie schwer vor die Kamera zu bekommen?

Ja, das war teilweise extrem mühsam. Denn viele der Architekten haben gleichzeitig auf der ganzen Welt mehrere Baustellen, zwischen denen sie ständig hin und her jetten. Außerdem haben sie häufig keine Publicity mehr nötig und verstehen nicht, warum sie jetzt schon wieder fotografiert werden sollen. Also habe ich sehr, sehr viel Zeit an Telefon und Faxgerät verbracht und bin den Leuten teilweise richtig hinterhergelaufen. Das war auch ein Grund dafür, dass ich mehr als vier Jahre an dem Projekt gearbeitet habe.

Zu den Shootings haben die Architekten und Architektinnen sicher auch nicht viel Zeit mitgebracht . . .

Meistens musste es schnell gehen. Ich konnte selten mehr als fünfzig Bilder machen. Mit Renzo Piano hatte ich zum Beispiel nur wenige Minuten. Er stellte sich kurz vor meinen Hintergrund, den ich im Foyer des Hyatt-Hotels am Potsdamer Platz aufgebaut hatte, und war dann wieder weg. Aber es gab auch andere Sessions, wie etwa mit den Brüdern Lauritz und Manfred Ortner. Die beiden sind währenddessen langsam aufgetaut und waren sehr offen. Sie haben der Situation sogar etwas Lustiges abgewonnen.

Die Bilder sind formal sehr streng. Wieso haben Sie sich so entschieden?

Ich konnte mir nicht vorstellen, die Architekten in ihren Büros zu fotografieren. Das gibt als Hintergrund nicht viel her. Also habe ich nach einer sehr sachlichen Form gesucht. Ich fand, dass das zu dem Berufsfeld passt. Das quadratische Format ist absolut spannungsfrei, fast neutral. Genauso der weiße Hintergrund, der die Gesichter quasi frei stellt. Durch den schwarzen Negativrahmen wird das Bildfeld abgesteckt. So lenkt nichts von den Gesichtern ab.

Die Abzüge sind ziemlich großformatig.

Es war sehr aufwendig, die Bilder zu entwickeln. Für 1,22 mal 1,22 Meter große Abzüge war meine Dunkelkammer zu klein. Also habe ich eine alte Ladenwohnung in Mitte angemietet und da eine Dunkelkammer eingebaut. Dieses Format war auch technisch Neuland für mich. Ich habe erst mal vier Wochen lang für den Mülleimer gearbeitet. Mal stimmten die Schärfen nicht, dann hatte ich plötzlich Flecken auf den Bildern.

Wie haben die Architekten auf die Bilder reagiert?

Meistens recht gut. Viele der Porträtierten benutzen meine Bilder inzwischen auch für ihre eigene PR-Arbeit. Allerdings nehmen nur ganz wenige das Foto der Serie, das ich für die Ausstellung und das Buch ausgesucht habe.

Sind Architekten eitel?

Ja, sie sind schon ziemlich eitel. Das liegt auch daran, dass Häuser zu bauen eine relativ auffällige Sache ist. Die Architekten begeben sich damit in die Öffentlichkeit. Sie müssen sich und ihr Werk präsentieren. Dabei wollen sie natürlich möglichst gut aussehen. Architekten sind insgesamt sehr stilbewusste Menschen – auch wenn es um ihr Outfit geht. Karl-Heinz Petzinka und Thomas Pink haben mir sogar von einem „Architekten-Dresscode“ erzählt: Hemden aus grobem Baumwollstoff mit Buttoned-Down-Kragen in Weiß oder Hellblau, dazu einen passenden Schlips und Jacket. So sehen sie auch auf meinem Foto aus – allerdings hatten sie ihre Jackets abgelegt.

Der Code scheint vor allem für die Deutschen zu gelten. Michael Wilford, Architekt der englischen Botschaft, mag es dagegen farbenfroh – sowohl bei seinen Bauten als auch bei der Kleidung.

Das stimmt. Auf meinem Bild trägt er auch eine gepunktete Krawatte. Die englischen Architekten scheinen etwas risikofreudiger an ihre Kleidung heranzugehen als die deutschen. Das hat mir ganz gut gefallen.

Sie sind seit fast 25 Jahren Berliner. Hat die Arbeit mit den Architekten Ihren Blick auf die Stadt verändert?

Das passiert eigentlich schon seit der Wende. Sonst würde man die Stadt ja auch gar nicht wieder erkennen. Aber es stimmt: Es macht schon Spaß, zu wissen, wer was gebaut hat. Ich habe dadurch weniger das Gefühl, dass mir Berlin über den Kopf wächst.

Bis 3. 9. im Rahmen der Ausstellung „Stadt der Architektur – Architektur der Stadt. Berlin 1900 – 2000“. Do – Di 10 – 18 Uhr, Neues Museum, Bodestraße 1 – 3. Der Katalog kostet 29,80 Mark.