„Ein schönes Sommertheater“

betr.: „Grundübel Teilnahmslosigkeit“, taz vom 8. 8. 00

Eine passive, wegschauende Öffentlichkeit biete den „besten“ Nährboden für Rechtsextremismus und Neo-Nazis, analysiert Otto Diederichs zutreffend. Gleichzeitig warnt er davor, öffentliche Rechte wie das Grundrecht auf Demonstrations- und Meinungsfreiheit zu beschneiden, wiederum trifft Diederichs ins Rot-Schwarze (ist die Demoverbots-Polemik à la Schily noch von der Starker-Staat-Rhetorik eines Stoiber zu unterscheiden?).

Vor einer letzten Schlussfolgerung schreckt Diederichs jedoch leider zurück: Jeder Einschränkung der Grundrechte wohnt die Gefahr inne, dass sich die Öffentlichkeit an eben diese Beschneidungen, diese langsame Erosion demokratischer Kultur gewöhnt. Das wäre dann kein Nährboden mehr für rechte Minderheiten, das wäre der Samen für eine totalitäre Gesellschaft.

Klartext: Mit dem Verweis auf den vermeintlich sicheren Starken Staat goutieren bestimmte Kreise zwar die Bequemlichkeit ihrer Wähler, die im Zweifel schlicht zu faul sind, sich vor den dunkelhäutigen Kollegen, Mitbürger, Menschen zu stellen. Sie züchten gleichsam ein politisches Un-Bewusstsein, das langfristig dem Sinn der Demo-Kratie widerspricht und einer Olcho-Kratie den Weg ebnet. ROLAND BÖSKER, Innenpolitischer Sprecher der

FDP Hamburg-Nord

betr.: NPD-Jubelfeier zum Auschwitz-Gedenktag u. a., taz vom 7. 8. 00

Wenn es nicht so traurig wäre, man könnte sich totlachen. Erst jetzt, 55 Jahre nach dem ruhmlosen Ende eines Dritten Reiches, wollen Politiker aller Fraktionen entschlossen gegen Neonazis vorgehen.

Wohl, immer mal wieder, besonders im Wahlkampf, haben die Herren Kohl, Blühm, Schröder, Scharping etc. beteuert, das „etwas getan werden muss“. Das war es dann aber auch. Herr Rühe als zuständiger Minister tat rechtsextremistische Ausschreitungen in der Bundeswehr mit „bedauerlichen Einzelfällen“ ab. So sehr wird er es nicht bedauert haben, sonst hätte er wohl dafür gesorgt, dass etliche Kasernen, die sich nach Größen der (NS-)Wehrmacht nennen, umbenannt werden. Herr Kohl, der am liebsten die Demokratie selbst erfunden hätte, hat noch nie beanstandet, dass in der ach so demokratischen Bundesrepublik Deutschland nach dem Krieg Nazi-Richter unbehelligt weiter arbeiten durften. Im Namen des Volkes sprachen sie nicht selten Kriegsverbrecher frei.

Aber jetzt wird es ernst in Deutschland, die Wirtschaft ist in Gefahr! Die ganze IT-Welt verzichtet auf die Gnade der deutschen Green-Card! Wer möchte auch sein schlaues Köpfchen dem Baseballschläger tumber teutonischer Glatzen als Trainingsobjekt zur Verfügung stellen? Herr Henkel mahnte neulich an, dass es eine Katastrophe gäbe, wenn die zwei Millionen türkischer Unternehmer plötzlich nicht mehr da wären. Und da kommen wir nun endlich auf den Punkt: Es geht um die Wirtschaft, nicht um die Moral. Wenn sich renommierte Wissenschaftler weigern, zeitweilig in Deutschland zu arbeiten, bringt das ein schlechtes Image.

Ein schönes Sommertheater! Und die CSU legt noch eins drauf. Einerseits reden die volkstümlichen Bierzeltpolitiker von Ausländern, die uns ausnützen, andererseits verlangen sie jetzt aus taktischen Gründen ein Verbot der NPD, wohl wissend, dass das verfassungsmäßig nicht geht.

Wenn es schon um ausnützen geht, sollten sie wenigsten nach Überweisung ihrer Diäten einen roten Kopf bekommen.

Apropos roter Kopf, ich liege natürlich wieder mal völlig falsch. Den roten Kopf soll ich ja jetzt haben, Zivilcourage ist das aktuelle Wort! Da (über-)bezahlt man die Politiker, und letztendlich schieben sie einem doch den schwarzen Peter zu.

HARALD PAPENFUSS, Erfurt

Die Redaktion behält sich den Abdruck sowie das Kürzen von Briefen vor. Die erscheinenden LeserInnenbriefe geben nicht notwendigerweise die Meinung der taz wieder.