Kinderraub legal

Australisches Gericht weist Klagen von Aborigines ab: Keine Entschädigung in Musterprozess gegen Regierung

SYDNEY rtr ■ Ein australisches Gericht hat gestern in einem Musterprozess die Entschädigungsklagen zweier Ureinwohner abgewiesen, die als Kinder von ihren Familien getrennt und in Heimen untergebracht worden waren. Die Regierung müsse die für Traumata, Leid und kulturelle Isolation der Kläger geforderte Entschädigung nicht zahlen, urteilte Richter Maurice O'Loughlin im Bundesstaat Northern Territory. Das Urteil dürfte auch Bedeutung für die Klagen 700 weiterer Aborigines haben.

In der Urteilsbegründung sagte der Richter, es gebe zu wenig Beweismaterial, um zu klären, warum die Klägerin Lorna Cubillo 1947 von ihrer Familie getrennt worden sei. Es fehlten Dokumente und Zeugenaussagen längst Verstorbener. Im Fall von Peter Gunner existiere ein Fingerabdruck von Gunners Mutter auf einem Antrag zur Übergabe des Jungen in Pflege. Es könne nicht bewiesen werden, dass Gunner 1956 gegen den Willen seiner Mutter von zu Hause abgeholt worden sei.

Ein Gesetz hatte es staatlichen und kirchlichen Organisationen in Australien bis in die Sechzigerjahre hinein erlaubt, Kinder von Aborigines ihren Eltern wegzunehmen und in Heimen zu erziehen. Offizielles Ziel war, die Aborigines enger an die weiße Gesellschaft heranzuführen.

Die australische Menschenrechtskommission hatte 1997 festgestellt, dass mindestens 30.000 Aborigines von ihren Familien getrennt worden waren. Die Aborigines sprechen seitdem von der „verlorenen Generation“. 2,1 Prozent der 19 Millionen Australier sind Aborigines.