Zwei Mal matt, dann Remis

■ Humaner als Schach: Nach 0:2 erreicht HSV doch noch Unentschieden gegen 1860

Schlechte Schachspieler kennen das Gefühl: Nach dem achten Zug muss man einsehen, dass die vermeintlich harmlose gegnerische Eröffnung zum eigenen Matt geführt hat, bittet um Revanche und stellt kurz darauf fest, dass man erneut auf den gleichen Trick hereingefallen ist. Die „sizilianische Eröffnung“ der 60er, die den HSV bereits nach acht Minuten 0:2 hinten liegen ließ, folgte folgendem Schema: HSV in der Vorwärtsbewegung, Ballverlust im Mittelfeld, Steilpass in den Rücken der Abwehr. Flachschuss. Tor. Einziger Unterschied: War es beim ersten Treffer Paul Agostino, der den Pass des starken Mykland verwertete, stand eine Minute später der Name Martin Max auf der Anzeigentafel.

Duplizität der Ereignisse? Nicht ganz, denn das Publikum hatte Schiedsrichter Fandel als Verursacher des 0:2 ausgemacht. Der hatte regelkonform die Abseitsstellung von Agostino als passive interpretiert und den aktiven Treffer von Max als regulär gewertet. Als der Referee dann den Mut bewies, Nico Kovac für eine Schwalbe im Strafraum gelb zu zeigen, regte sich die Volksseele aufs Kryptischste, indem sie forderte, man möge „grüne Säue aufhängen“.

Wenig später sorgte dann Neuzugang Marcel Ketelaer dafür, dass das Aktionspotenzial der 38.200 Zuschauer in produktivere Bahnen gelenkt wurde. Sein 30 Meter-Schuss (34.) erzeugte kollektive Verzückung und die äußert sich, seit das Stadion komplett überdacht ist, in beachtlichen Dezibelzahlen. Würde nicht Stadionsprecher Uwe Bahn, der dank Kampfhunderlass ebenso Maulkorb tragen müßte wie der graumelierte Pitbull und Löwentrainer Werner Lorant, permanent die „super Stimmung“ beschreien, man wäre geneigt, zur Beschreibung der Atmosphäre ein Synonym hierfür zu suchen.

Vielleicht würde man sich hierbei gar an den Torschützen selbst wenden, der rhetorisch gewandt behauptete, ihm sei nach dem Treffer „etwas Großes vom Herz gefallen“. Kurz vor dem Pausenpfiff geriet das Herz-Kreislaufsystem dann erneut in Wallung, als Roy Präger Löwen-Torwart Michael Hofmann zum 2:2 überwand.

In der zweiten Hälfte waren Torchancen deutlich rarer gesät als Fouls. Das Spiel blieb trotzdem auf hohem Niveau. Somit gibt es neben dem Fazit „leistungsgerechtes Unentschieden“ zwei weitere Erkenntnisse zu übermitteln. Erstens: Bei der gegenwärtigen Spielanlage des HSV ist Yeboah zu sehr auf sich allein gestellt. Und zweitens: Zur Illustration eines Bundesligaspiels gibt es bessere Vergleiche als die mit einer Schachpartie. Denn ersteres kann man selbst nach zwei identischen folgenschweren Fehlern noch umbiegen. Irgendwie menschlich. Christoph Ruf

Hamburger SV: Butt, Panadic, Hoogma, Hertzsch, Groth, Kovac, Hollerbach, Barbarez (60. Heinz), Präger, Yeboah (66. Bester), Ketelaer (75. Doll). Tore: 0:1 Agostino (7.), 0:2 Max (8.), 1:2 Ketelaer (34.), 2:2 Präger (45.). Zuschauer: 38.000.