Mamma-Screening nicht gefährdet

■ Von 42.000 Brustkrebserkrankungen im Jahr gehen 5.000 auf das Konto von Hormon-Behandlungen, so eine Bremer Studie / Für geplantes Mamma-Screening eine Herausforderung

An Brustkrebs sterben jährlich bundesweit 18.000 Frauen. Jedes Jahr erkranken rund 42.000 Frauen neu daran. Eine Faustregel lautet: Es trifft jede zehnte Frau. Dennoch sind die Ursachen von Brustkrebs weitgehend unerforscht. Einen kleinen Beitrag zur Abhilfe leistete jetzt das Bremer Institut für Sozialmedizin und Präventionsforschung (BIPS) gemeinsam mit dem Wissenschaftlichen Institut der AOK in Bonn (die taz berichtete).

In einer jüngsten Studie stellt das BIPS einen deutlicher Zusammenhang zwischen Östrogeneinnahme und Krebsrisiko her. Danach haben kassenfinanzierte Hormonbehandlungen an Frauen im Jahr 1998 bundesweit 8.000 Neuerkrankungen von Brust- und Gebärmutterkrebs verursacht. Von 42.000 jährlichen Brustkrebsneuerkrankungen dürften 5.000 auf den Risikofaktor Östrogeneinnahme bei Frauen zwischen 40 und 80 Jahren zurückgehen, heißt es in der Expertise. Zwischen 1987 und 1998 habe sich die verschriebene Hormondosis in der Bundesrepublik rund versechsfacht. Von den Risiken am stärksten betroffen seien Frauen zwischen 50 und 59 Jahren. „Dieser Gruppe mit der höchsten Verordnungshäufigkeit sind mehr als 20 Prozent aller Neuerkrankungen mit Mamma-Carcinom den Östrogenen zuzuschreiben“, so Prof. Dr. Eberhard Greiser vom BIPS.

Während die Studie aus Sicht des Bundesgesundheitsministeriums noch nicht abschließend bewertet ist, geht man bei der AOK davon aus, dass die Expertise Konsequenzen haben wird. Auch in Bremen wird man die Ergebnisse prüfen müssen. Denn die Hansestadt soll ab nächstem Jahr eine von drei bundesdeutschen Modellregionen zur Früherkennung von Brustkrebs werden.

Möglichst viele Frauen zwischen 50 und 70 Jahren sollen sich dabei an der kassenfinanzierten Röntgenreihenuntersuchung der Brust (Mammographie-Screening) beteiligen. Sie soll Aufschluss über die – wissenschaftlich umstrittene – Frage geben, ob Früherkennung von Brustkrebs wirklich Leben rettet. Allerdings sind die 50 bis 70-jährigen Adressatinnen des Screening-Projektes der jetzt vorgelegten Studie zufolge zugleich Frauen, die zu einem großen Anteil Östrogenpräparate einnehmen – um Wechseljahrbeschwerden zu lindern, Knochensprödigkeit durch Osteoporose zu mindern oder Herzinfarkten vorzubeugen. Eine Versichertenumfrage der AOK in Hessen beispielsweise ergab, dass dort nahezu jede dritte Frau zwischen 40 und 75 Jahren Hormonpräparate einnimmt. Ein erhöhtes Krebsrisiko gilt vor allem dann, wenn die Präparate langfristig eingenommen werden.

Doch neben erhöhtem Brustkrebsrisiko haben Hormongaben auch die Folge, dass das Brustgewebe dichter und somit röntgentechnisch schwieriger zu durchschauen ist. „Einerseits wird durch die Hormongabe also die Indikation für die Mammographie höher, andererseits wird die Diagnose durch sie erschwert“, wertet die Sprecherin des bundesweiten Arbeitskreises Frauengesundheit e.V., die Gynäkologin Dr. Claudia Schumacher, die Folgen der Untersuchung. Tatsächlich war ein offizielles Argument, warum Frauen erst ab 50 Jahren am Screening teilnehmen dürfen, immer die biologische Beschaffenheit der Brust nach der Menopause.

Ob Hormongaben sich auf auf Röntgendiagnosen für ältere Frauen auswirken, ist noch offen. Allerdings stellte Greiser (BIPS) fest, dass sich „auch bei Frauen zwischen 75 und 79 Jahren noch relevante Verordnungsmengen“ an Östrogen fanden. Sicher ist: Deutschlands Frauen nehmen im europäischen Vergleich ungewöhnlich viele Hormone ein. Als besonders riskant gelten dabei die Mono-Östrogenpräparate. In Holland liegen die Vergleichzahlen derweil bei unter fünf Prozent. Auch die Frage, ob sich also später Daten aus den Niederlanden, wo das Screening derzeit noch flächendeckend angeboten wird, mit den deutschen vergleichen lassen, dürfte spannend werden.

Unterdessen haben erste Experten in Deutschland die Aussagekraft der AOK/BIPS-Studie bereits stark angezweifelt. So sagte Prof. Ludwig Wildt von der Universitäts-Frauenklinik Erlangen, dass es zum Einfluss von Östrtogen auf das Brustkrebsrisiko bislang recht widersprüchliche Studienergebnisse gebe. Möglicherweise würden aber erblich vorbelastete Frauen durch Hormongaben besonders stark gefährdet.

ede