Sieger sind manche, Gewinner alle

Bei der Ultimate-Frisbee-WM in Heilbronn holen die USA erwartungsgemäß die meisten Titel. Das allerdings interessiert die tausend Teilnehmenden im Vergleich zu Horizonterweiterung und deutschem Bier nur am Rande

HEILBRONN taz ■ Nach einer Woche Weltmeisterschaft in Heilbronn schien dann doch jeder vom dem infiziert, was die Frisbeeaner den spirit of the game nennen. Wer sich jetzt wieder dem Fußball zuwendet, als sei nichts gewesen, der wird vermutlich nie teilhaben an dem, was die über tausend besten Spieler aus 19 Nationen dieses Sports ihre Welt nennen.

Ultimate Frisbee ist mehr als das Spiel mit der Scheibe, es ist ein Mannschaftssport, sieben gegen sieben, entstanden an den amerikanischen Hochschulen. Die Sieger der Weltmeisterschaft heißen USA bei den Herren, Masters und Juniorinnen, Kanada bei den Frauen und Schweden bei den Junioren. Das ist die eine Sicht der Dinge. Nicht aber die einzige. Gewonnen haben sie irgendwie alle. „Weil sich dein Horizont bei solch einem Event erweitert“, wie Frank Balzer, Trainer der deutschen Masters (Herren über 30, aber keineswegs alte Herren), sagt. Sie sind keine Profis, meist Studenten oder Akademiker, die sich mitten im Arbeitsleben ihren Teil der Freiheit bewahrt haben. Die Freiheit heißt Frisbee. Nationalspieler Tarek Ivo Eiben, Medizinstudent und einer der Besten im Berliner Bundesligateam weiß, worauf’s ankommt: ,,Als Erstes kommt das Spiel, dann aber der Spaß.“ Der darf auch bei Weltmeisterschaften nicht zu kurz kommen. „Es war eine großartige Veranstaltung“, sagt Jim Parinella, der Kapitän der US-Mannschaft, der ein „großartiges Finale“ gesehen haben wollte. Und tatsächlich war das 19:18 der Seinen gegen Schweden ausreichend knapp, dass anschließend neben dem obligatorischen Meisterschaftssekt auch reichlich Bier fließen konnte. „Das Bier war zu gut, und es gab hier fast schon zu viel davon, schade, dass wir uns als Finalist während der Woche zurückhalten mussten“, bedauerte einer der US-Spieler.

Auf dem Platz ging es trotzdem ernsthaft zur Sache. Im Kampf um Platzierungen und Medaillen haben sie heftig gestritten. Sportlich und fair, wie in kaum einer anderen Sportart. „Das Faszinierende an diesem Spiel ist eben immer noch, dass man ganz ohne Schiedsrichter auskommt“, sagt Nationalspieler Bernd Larisch. „Das gibt’s sonst nirgendwo. Wir erkennen an, wenn der Stärkere gewinnt.“ Abgrätschen, Gras fressen, das sind Fremdworte in der Welt des Frisbee. Ein friedliches, multikulturelles Miteinander, das mehr an ein internationales Zeltlager erinnerte, denn an interkontinentale Titelkämpfe. „Ich denke, wenn man in Jugendjahren damit anfangen würde, wäre solch eine Einstellung auch in jeder anderen Sportart möglich“, sagt Junioren-Nationaltrainer Stefan Rekitt, der die Seinen schon im Kindesalter die Regeln der Fairness lehrt.

Gelernt haben auch die rund 25.000 Zuschauer, die an den sieben Tagen das Grün säumten: dass Frisbee kein Freibadsport ist, sondern eine höchst athletische Form der Körperertüchtigung. Dass der Ehrliche nicht der Dumme sein muss. Dass nur der psychisch Starke seine Qualitäten auch Gewinn bringend einsetzen kann. „Dieser Sport lässt dich einfach nicht mehr los“, sagt Jürgen Reinert, der einst mit Reckweltmeister Eberhard Gienger in der Bundesliga turnte.

Frisbee – das ist die sportliche Freiheit der Selbstbestimmung, ohne sich über die Regeln der Fairness hinwegzusetzen. Frisbee, das haben die spannenden Wettkämpfe in Heilbronn gezeigt, ist ein Spiel mit vielen Facetten. Reich an Taktik, technischen Tricks. Ein Spiel mit Spaßfaktor, ein Spiel, das sportlich fasziniert, ein Spiel, das aber auch die Jugend charakterliche Stärke lehrt. Schummeln ist beim Ultimate-Frisbee tabu, foulen und meckern sowieso. Wer das in sieben WM-Tagen in Heilbronn nicht bemerkt hat, der kann sich getrost anderen Sportarten zuwenden. CORNELIA DURST