Die, die, die. Immer die

Zum Saisonauftakt gewinnen die Münchner Bayern 4:1 gegen Hertha und alles scheint beim Alten zu bleiben. Fast alles. Neu sind immerhin das Karachometer und königlich-bayerische Platzanweiser

aus München THOMAS BECKER

Nach der ersten Schicht der neuen Saison stand Jürgen Röber da wie das Mensch gewordene Achselzucken. Die Hände in die Hüften gestemmt, der Blick fast so finster wie der dunkle Anzug: So sieht grimmige Resignation aus. Passend dazu die Sätze des Hertha-Trainers: „Das ist halt die Klasse von denen. Die lassen einfach den Zickler draußen. Damit hat kein Mensch gerechnet. Aber das sagt doch schon alles.“ Ähnlich übellaunig war Sebastian Deisler: „Wir haben das doch alles vorher besprochen. Es hat trotzdem nichts genutzt. Alle sind immer nur nach vorne gerannt. Wir haben uns saublöd angestellt. Die Bayern haben uns in ihrem eigenen Stadion ausgekontert – das sagt doch alles.“

So viel Frust und Ärger, und das schon am ersten Spieltag. 1:4 unterlag Hertha BSC zum Saisonauftakt Bayern München, was nicht weiter überrascht, weil die Berliner das seit 23 Jahren schon so halten. Verwunderlich ist eigentlich nur, dass sie sich immer noch über die Überlegenheit von „denen“ aufregen.

„Die“ haben nämlich mal wieder mit wenig Aufwand das Optimum erreicht. Die verletzungsbedingt (Effenberg, Elber, Jeremies, Strunz, Sergio, Lizarazu) mit der 1b-Mannschaft angetretenen Bayern mussten sich erst gar nicht selbst um das Zustandekommen von Torchancen mühen. An diesem Abend genügte es vollkommen, die Hertha wirken zu lassen. Neunte Minute: Neu-Libero René Tretschok lässt im Strafraum den Ball vom Fuß springen und muss in der Folge Roque Santa Cruz von den schnellen Beinen holen – Scholl sagt danke und verwandelt den Elfmeter. 65. Minute: Tarnat verhindert auf der Torlinie den Ausgleich, Hertha verliert den Ball, Jancker schließt den Konter nach feinem Pass von Scholl ab. 80. Minute: Stefan Beinlich steht nach Wiesingers Flanke viel zu weit weg von Alexander Zickler – danke schön. 88. Minute: Sanneh nötigt Salihamidzic zum ersten Saisontreffer. Ein höflicher Gast, diese Hertha. Jürgen Röber sieht das auch so: „Wir sind hier immer gern gesehen. Wir spielen nett mit, machen aber gravierende Fehler. Genauso wie die letzten Jahre. Wir lassen den Ball schön laufen, aber die machen die Dinger.“

Folgt das Lamento über die ach so starken Bayern: „Ich wäre auch gern mal in der Situation, dass ich so einen wie den Zickler einfach draußen lassen kann.“ Und überhaupt: „Der Scholl ist schon eine Klasse für sich.“ Wie der gesamte FC Bayern: „Die stehen hinten gut und dann gehen die Raketen halt ab.“ Hertha-Manager Dieter Hoeneß zur Taktik des Meisters: „Die machen ja grundsätzlich ein frühes Tor.“

Neue Saison und alles beim Alten? Die Bundesliga eine Veranstaltung, an der 18 Vereine teilnehmen, aber immer vom FC Bayern gewonnen wird? Nicht doch, ein paar Veränderungen gab es am Rande des eher langweiligen Spiels im Olympiastadion doch zu entdecken. Zum Beispiel bei den Platzanweisern. Wachten bislang Uniformierte, die in ihrem Aufzug stark an Straßenbahnschaffner erinnerten, über die Schritte der Münchner VIPs, so herrscht nun auf der Ehrentribüne eine andere Kleiderordnung: Es lebe die Diener-Livree! Samt Goldknöpfen und Schützenschnur – königlich-bayerische Platzanweiser sozusagen. Weiterhin neu: das Karachometer, ein Gerät, das die Geschwindigkeit eines Torschusses misst – ein Motivationsschub für Michael Tarnat also, der auch mit 126 Stundenkilometern prompt erster Tagessieger wurde, allerdings nur knapp vor einem Hobby-Kicker, der in der Halbzeitpause nur sechs km/h langsamer bolzte. Tut sich auf dem Feld gerade zu wenig, kann Fan nun auch öfter mal auf die Videoleinwand über der Gegengerade schauen. ran-mäßig laufen dort Statistiken über den Schirm, mit denen wirklich niemand rechnet: dass Scholl schon acht Elfmeter für Bayern verwandelt hat; dass der FCB in der letzten Saison 50 Tore zu Hause geschossen hat.

Neu ist auch, und das ist wirklich hart: Matthäus ist definitiv nicht mehr da. Nie mehr Interviews wie überlaufende Sprudelflaschen. Stattdessen: stille Wasser wie Andersson („Letztendlich entscheidet der Trainer“) und Sagnol („Oui, oui, très content. Merci.“). Ach, Lothar.

Bayern München: Kahn - Sagnol, Andersson, Linke, Tarnat - Scholl, Sforza, Fink, Wiesinger - Santa Cruz (67. Zickler), Jancker (83. Salihamidzic) Hertha BSC Berlin: Kiraly - Tretschok (85. Simunic) - Rehmer, van Burik, Sverrisson (71. Sanneh), Hartmann - Schmidt (71. Daei), Beinlich - Deisler, Wosz - PreetzZuschauer: 57 000; Tore: 1:0 Scholl (9./Foulelfmeter), 2:0 Jancker (65.), 3:0 Zickler (81.), 4:0 Salihamidzic (87.), 4:1 Daei (89.)