einig gegen rechts
: Anständige Deutsche

Ein antifaschistischer Alptraum wird wahr. Die Gemeinschaft der anständigen Deutschen verbrüdert sich im Kampf gegen rechts. Alle, fast alle, sind sich einig und schreien: „Haltet den Dieb!“ Von Umweltminister Jürgen Trittin über den bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber bis hin zum Bundesvorsitzenden der „Republikaner“, Rolf Schlierer, kennt die Kampfformation für ein saubereres und freundlicheres Deutschland nur noch ein Ziel: das Verbot der NPD.

Kommentarvon EBERHARD SEIDEL

Um mehr als zehn Prozent soll die Zahl der Mitglieder in den letzten Tagen gestiegen sein, so das Triumphgeschrei des NPD-Vorsitzenden Udo Voigt. Vielleicht handelt es sich dabei nur um eine Variante der psychologischen Kriegsführung. Aber es ist zu befürchten, dass Voigt Recht hat. Denn inzwischen weiß auch der letzte faschistische Bauernlümmel aus dem Ostharz: www.npd.net, die bieten was.

Aber nicht nur die NPD zieht Nutzen aus der Debatte. Auch du und ich. Denn nie war es seit den alten Kreuzberger Tagen so einfach, auf der richtigen Seite zu stehen wie heute. Damals, in den frühen Achtzigern, reichte ein laut dahingegröltes „Polizei – SA – SS“ –, und schon war der frisch in Berlin angekommene fränkische Landjunge aufgenommen in den Kampf gegen das Schweinesystem. Egal, wie weit sein Verstand reichte, egal, was er wirklich dachte, egal, was er vom Widerspruch von Kapital und Arbeit wirklich wusste.

Heute reicht ein „Hau weg den braunen Scheiß – die NPD muss sterben ...!“, und schon sitzt man mit im Boot. Das ist gut, denn Antirassismus ist nicht nur eine Sache des Verstandes, sondern auch eine des Gefühls. Von daher geht die augenblickliche Konzentration auf die NPD in Ordnung. Mobilisierung und Massenaufmärsche brauchen Emotionalität und gedankliche Schlichtheit.

Jürgen Trittin und Rolf Schlierer Hand in Hand gegen die braune Pest im Land? Wahrscheinlich ist die Lage so ernst, sind die Vorstellungen der rot-grünen Bundesregierung im Kampf gegen rechts so dürftig, dass man sich seine Freunde und seine Gegner nicht mehr aussuchen kann, keine Parteien mehr kennt, keinen differenzierten Gedanken.

Etwas Unanständiges zum Schluss: „Law and order waren es nicht, mit denen Geist und Gesellschaft der alten Bundesrepublik in den Jahren, als es mit ihr bergauf ging, zivilisiert worden sind.“ Das meinte Jürgen Habermas am Wochende. Aber wer will das heute schon hören?