Radler irren durch die Stadt

■ Der Baustellen-Overkill in der Bremer Innenstadt ärgert nicht nur die Autofahrer / Wer mit dem Rad unterwegs ist, muss zum Gesetzlosen werden – oder er geht verloren

In der Yorckstraße geschieht es: Bauressort-Sprecher Holger Bruns verlässt den festen Boden der Straßenverkehrsordnung. Entschlossen lenkt er sein Tourenrad auf den linken Bürgersteig, um der Buckelpis-te auszuweichen. Fahrradfahrer müssen eben ein bissl anarchistisch sein, um zügig voranzukommen.

Das gilt besonders im Sommer 2000. Insgesamt 21 Baustellen zwingen derzeit Bremens Pedalis-ten zu oft wagemutigen Ausweichmanövern. Grund genug für den Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC), Presse und Verwaltung zu einer Fahrradtour einzuladen. Die Botschaft: Baustellen werden aus der „Windschutzscheibenperspektive“ des Autofahrers eingerichtet – mit negativen Folgen für die Radler, die immerhin 22 Prozent aller Wege in Bremen leis-ten. Das meint der Geschäftsführer des ADFC-Landesverbandes, Klaus-Peter Land (vollgefedert). Mit von der Partie: Sprecher Bruns, Straßenverkehrsamtsmann Thorsten Bergt (holländisch) und die Presse (heftig klappernd).

Das erste Ziel ist die Bürgermeis-ter-Smidt-Straße. Hier geht noch bis November eine „megadynamische“ Baustelle (Bergt) um. Die Straßenbahngleise bekommen ein eigenes, komfortables Bett, und rundherum wird asphaltiert, dass es nur so qualmt. 2001 ist die Brill-Kreuzung dran. Doch bis die neuen Radwege fertig sind, herrscht Konfusion: Radfahrer, die den Wall aus Richtung Polizeigebäude entlangkommen und an der Bürgermeister-Smidt-Straße nach links abbiegen wollen, prallen gegen eine rot-weiß-gestreifte Absperrung. Daneben schieben zwei Verbotsschilder Wache. Ein Bauarbeiter berichtet, dass viele Radler sich trotzdem geradewegs ins Getümmel der Kreuzung werfen würden. Schließlich ist kaum zu erkennen, wo es lang gehen könnte; Hinweise auf die nahe Fußgängerampel fehlen. Auf der anderen Seite der Bürgermeister-Smidt-Straße müssen sich die Radfahrer einen schmalbrüstigen Gehsteig mit dem Fußvolk teilen.

„Gleisbauersatzmaßnahmen“, sagt Behörden-Bergt, als die Ausflugsgesellschaft ihr zweites Ziel erreicht: die Baustelle in der Langemarckstraße. Der Name erinnert an grausige Weltkriegsgemetzel und passt daher ganz gut. Mutige können hier einfach geradeaus weiterfahren, sofern ihnen dabei kein Bagger auf den Kopf fällt. Wer sich an die StVO hält, gibt sich der Orientierungslosigkeit anheim: Er wird über einen Parkplatz umgeleitet, und bald drängen ihn die Markierungen unweigerlich ab nach rechts. Dabei will er doch nach links! Offensichtlich führen die amtlichen „Begehungen“ der Baustellen nicht immer zum Erfolg.

Nach diesen Großkampfplätzen waren die folgenden Exempel nur noch Kinkerlitzchen: Ein bunter Reigen von Kabelverlegearbeiten in der Lahnstraße, der noch leicht sumpfige „wassergebundene“ Radweg-Neubau am Werderufer und eine sinnlose Kleinst-Umleitung samt Rampe in der Dechanatstraße. ADFC-Mann Klaus-Peter Land – Spitzname „Handzeichen“ – war sich sicher, dass die verbliebenen Negativbeispiele noch für eine ganze Tagestour ausreichen würden. Fest steht, dass 2001 noch Baustellen dazukommen werden: etwa im Herdentor, entlang der Kulturmeile und in der Fußgängerzone.

Der ADFC setzt sich nun dafür ein, dass bestimmte Mindestbreiten bei Geh- und Radwegen eingehalten werden. Fußgänger und Radfahrer sollten auf Baustellen gemeinsame Wege nutzen können; ansonsten gehörten sie auf die Autospur. Das Schild „Radfahrer absteigen“ lehnt der ADFC ab: Ein fahrendes Rad brauche weniger Platz; außerdem seien solche Hinweise nicht „StVO-relevant“ – man brauche sich nicht daran zu halten. Den Radfahrern müsse aber die Chance gegeben werden, sich legal zu verhalten. Und möglichst schnell voranzukommen.

Bauressort-Sprecher Bruns indes, der täglich von Kirchweyhe nach Bremen und zurück fährt, hat mit dem ganzen Baustellen–Stress nichts am Hut: Er radelt an der Weser entlang und kriegt davon nichts mit. Sein Tipp: „Weiträumig umfahren!“ hase