auf der flucht
: Asyl für Roger

Ein Sofa für . . .

Er ist allein, er ist fremd in der Stadt, und er muss sich verstecken. Die Internet-Community ist hinter ihm her und will 10.000 Dollar Kopfgeld. Gestern Vormittag haben Spielemacher einen Holländer im Grunewald ausgesetzt. Roger hat kein Quartier und kein Auto. Das ist gemein. Doch die taz hilft. Wir bieten verfolgten Ausländern Asyl.

Nur, wo ist Roger? Er soll eine Sonnenbrille tragen und einen Trenchcoat. Er soll eine „erotische Ausstrahlung“ haben und „unaufdringliches Sex-Appeal“ – so seine Psychologin. Das hilft uns nicht weiter. Auch sein Foto nicht – unter www.realityrun.de. Das Schema seines Hinterkopfs lässt zwar Locken vermuten – doch sicher ist nichts. Unsere Hoffnung: Jeden Tag soll das Foto etwas schärfer werden. Auch telefonisch ist Roger nicht erreichbar. Auf seinem Handy hören wir ihn zwar, aber er hört uns nicht. 3,63 Mark pro Minute kostet es, ihn unter (01 90) 85 99 59 zu belauschen und daraus evtl. auf seinen Aufenthaltsort zu schließen. Das ist wieder gemein. Jeder weiß: Wir sind knapp bei Kasse. Zudem muss man sich auf der Suche nach Rogers Telefonstimme erst durch einen Zahlendschungel schlagen: „Wenn Sie live mit dem Realtityrunner verbunden werden wollen, drücken sie die Eins.“ Nur die Geduldigsten kommen durch. Und die Cleversten. Nicht die „Eins“, sondern die „Zwei“ führt zum Ziel. Bis dahin rattert der Zähler.

Gestern Mittag, Schlag 14 Uhr, konnten wir deutlich hören, ging Roger eine Treppe runter – oder auch rauf. Offenbar hat Roger aus dem Wald herausgefunden. Doch wie findet Roger uns? Unter der 01 90-Nummer haben wir seine Verständigungsversuche belauscht. Mit ein paar Brocken Englisch schlägt er sich durch. Und er summt Lieder. Daraus schließen wir: Roger geht es gut.

Doch was passiert heute? Jeden Tag muss er Aufgaben lösen. Gestern: das „Nest“ finden. An einem geheimen Ort sollte Roger sich bis Mitternacht einfinden, um seine Handy-Akkus zu laden. Schlafen durfte er dort nicht. Aber er konnte wenigstens auf die Toilette. Fünf Webcams übertrugen jede seiner Bewegungen ins Internet. Bei uns wäre er unbeobachtet. Auf die Toilette dürfte er auch – und hier könnte er sogar schlafen. Wir bieten Asyl und ein Redaktionssofa. Wir suchen weiter. Finden Sie Roger, geben Sie ihm unsere Adresse – und halten Sie dicht! KAH