Die Gasleitung war manipuliert

Neun zum Teil schwer Verletzte bei einer Gasexplosion in einem Charlottenburger Mietshaus. Die Ursache: eine Manipulation an der Gasleitung. Staatsanwaltschaft ermittelt wegen versuchten Mordes besonders unter den Mietern und Exmietern

von EVA KÜHNEN

Bei einer Gasexplosion in einem Charlottenburger Wohnhaus sind gestern Morgen neun Menschen zum Teil schwer verletzt worden. Ursache der Explosion ist nach Polizeiangaben eine Manipulation an der Gasleitung. „Zweifelsfrei ist an der Gasleitung hantiert worden“, bestätigte Kriminaldirektor Bernd Meyer. Nähere Angaben zu der Manipulation wollte die Polizei nicht machen. Auch über den Auslöser des Zündfunkens für das Gasgemisch lasse sich noch keine eindeutige Aussage machen.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt nun wegen versuchten Mordes und des Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion. Die Ermittlungen konzentrieren sich derzeit auf Mieter oder frühere Mieter, die ein Motiv für den Anschlag haben könnten, so Meyer. Auch Selbstmordabsichten schließt die Polizei nicht aus.

Unter den neun Verletzten sind vier Bewohner des Hauses in der Herderstraße 6 sowie fünf Polizeibeamte. Eine 47-jährige Mieterin befindet sich noch in Lebensgefahr. Sie wurde zwischen den Trümmern eingeklemmt, konnte aber schnell befreit werden. Eine 29-jährige Polizistin wurde durch die Druckwelle der Explosion auf die andere Straßenseite geschleudert und erlitt dabei schwere Verletzungen. Sie musste vier Stunden lang operiert werden. Wahrscheinlich werden weitere Operationen erforderlich sein. Zwei Bewohner des Hinterhauses waren von einer zusammenstürzenden Wand eingeklemmt worden. Sie wurden von Feuerwehrleuten befreit.

Eine Zeitungsbotin hatte um 5.30 Uhr Gasgeruch im Eingang des Mietshauses bemerkt und sofort die Polizei alarmiert. Als die Polizisten das Haus betraten, kam es im Erdgeschoss des Hinterhauses zur Explosion. Die Feuerwehr traf wenige Minuten später ein und konnte den Folgebrand löschen. Zwei Feuerwehrleute zogen sich dabei leichte Verletzungen zu.

In dem etwa 100 Jahre alten Haus wohnen 36 Mieter, von denen zum Zeitpunkt der Explosion aber nur 4 anwesend waren. Zu Gerüchten, wonach sich der Anschlag gegen das im Erdgeschoss liegende Büro der Tierärztekammer gerichtet haben könnte, wollte Meyer nicht Stellung nehmen. Angeblich sollen dort in der Vergangenheit Drohungen eingegangen sein. Die Ermittlungsbeamten würden dem nachgehen, betonte Meyer.

Entgegen anfänglichen Befürchtungen ist das Vorderhaus an der Herderstraße nicht einsturzgefährdet. Die Mieter können vorerst aber nicht in ihre Wohnungen zurückkehren, die zunächst bis Mittwoch baupolizeilich gesperrt sind. In dem Haus sind sämtliche Fenster zersplittert, der Boden im Erdgeschoss ist eingestürzt. Verbrannte Teppiche, Stuckreste und Scherben lagen auch gestern Nachmittag noch überall herum.

Nach Angaben von Figo Luschka, dem Hausverwalter der Herderstraße 6, waren die Gasleitungen „gewartet und technisch einwandfrei“. Es sei auch immer „sehr harmonisch unter den Mietern“ zugegangen. Sowohl ihm als auch den Anwohnern sind keine Streitereien bekannt. „Eigentlich ist es immer ganz ruhig hier bei uns in der Herderstraße“, erzählt Winfried Konradt. Er wohnt bereits seit 18 Jahren im Haus gegenüber.