Money, Money, Money

Die UMTS-Milliarden sollen Deutschland sanieren. Selbst ernannte Experten aus allen Richtungen und Parteien wissen schon, wie

von NICK REIMER

Das ist wie damals bei der Umbenennung von DDR-Straßen. Oder wie heute bei der Diskussion um Rechtsextremismus. Experten gibt es viele.

Seit die Versteigerungsgebote für UMTS-Lizenzen höher sind als etwa der Staatshaushalt von Nachbar Tschechien (rund 30 Milliarden Mark), melden sich täglich Experten mit hilfreichen Vorschlägen für den geplagten Bundesfinanzminister. Schließlich „kann es nicht sein, dass die Taschen von Herrn Eichel voller Geld sind“, stellte CSU-Chef Edmund Stoiber fest und startete damit die Diskussion, wie man dem Finanzminister am besten die Hosen auszieht.

Stoiber selbst bevorzugt die allgemeine Art: Er will Steuern senken. Brandenburgs Regierungschef Manfred Stolpe dagegen probierte es geziemend: Zunächst „zusammensetzen“ wolle er sich mit Eichel, „prüfen“, wie viel Geld sein Parteikollege wirklich zur Haushaltskonsulidierung braucht. Über den Rest müsse natürlich geredet werden.

Der sächsische PDS-Landtagsabgeordnete Heiko Hilker ist nicht so charmant. Kanzler Schröder sollte sich Eichel „zur Brust nehmen“, fordert er. Viel sinnvoller als die Pläne des „fantasielosen Bundesfinanzministers“ sei doch, mit dem Versteigerungserlös eine Medienstiftung zu gründen, die den öffentlich-rechtlichen Rundfunk fördert. Erstens hätte man dann nicht mehr die leidige Debatte um die ständig steigende Rundfunkgebühr, erklärt Experte Hilker. Und zweitens würde eine sinkende Gebühr die Kaufkraft erhöhen, also die Wirtschaft ankurbeln.

Gregor Gysi will den Verkaufserlös zur schnelleren Anpassung der Ostlöhne ausgeben. Manfred Stolpe mahnt zum Einsatz für Jugendbildung und Jugendfreizeitgestaltung. Vernünftige Angebote, so Stolpe, könnten dem Einfluss der Rechtsradikalen entgegenwirken. Und die FDP möchte ihr Wahlprogramm umsetzen. Angesichts der absehbaren Mehreinnahmen des Bundes forderte deren stellvertretender Vorsitzender Walter Döring, den Solidaritätszuschlag doch endlich abzuschaffen.

Um Ordnung in die Diskussion zu bringen: Ob 75, 80 oder 100 Milliarden Mark – sämtliche Vorschläge, die sich auf den Verkaufserlös beziehen, sind angesichts des Hauhaltsgesetzes 2000 unseriös. Darin ist festgelegt, dass der gesamte Betrag zur Tilgung der bundesdeutschen Schuldenlast von etwa 1.500 Milliarden Mark eingesetzt wird. „Darüber besteht Einigkeit zwischen Eichel, Koalition und Regierung“, sagte Regierungssprecher Heye gestern. Derzeit wird jede fünfte Steuermark in den Schuldendienst gesteckt.

Diskutabel ist also ledig der so eingesparte Schuldendienst. Experten haben berechnet, dass sich pro zusätzlich eigenommenen 20 Milliarden Mark eine Zinsentlastung von einer Milliarde ergibt. Sollte die Versteigerung bei 80 Milliarden enden – Analysten halten ein höheres Ergebnis für durchaus möglich – würde der Bundeshaushalt um 4 Milliarden Mark entlastet.

„Seriös wird die Diskussion nur, wenn man die Zinsen, die man dann nicht mehr ausgeben muss, für Investitionen verfügbar macht“, erklärte Hans Eichel. Umweltminister Jürgen Trittin will seriös die Zinsen zur „Energieeinsparung, also Wärmedämmung“, und für öffentlichen Nahverkehr ausgeben. Der rheinland-pfälzische Regierungschef Kurt Beck (SPD) regte eine Erhöhung der Ausbildungsförderung (Bafög) an. FDP-Chef Wolfgang Gehardt hielt nach der gestrigen Präsidiumssitzung mehrere hundert Millionen Mark an die Bundeszentrale für politische Bildung für sinnvoll. Sie sollen zur Startfinanzierung einer „Initiative zur Demokratie“ eingesetzt werden. Im Kampf gegen Rechtsextremismus solle diese Stiftung den Dialog über demokratische Grundwerte an Schulen stärken. Dieter Lau, Vizepräsident des Bundes der Steuerzahler, hat vorgeschlagen, mittels der Zinsmilliarden Teile der letzten, für 2005 geplanten Stufe der Steuerreform vorzuziehen. Für Lohnsteuerzahler brächte die spätere Refomstufe nämlich „eine gewisse Schieflage“.

Interessant erscheint ein Vorschlag des saarländischen Finanzministers Peter Jacoby (CDU). Er regte an, mit dem gesamten Versteigerungserlös den Fonds Deutsche Einheit abzulösen. Damit würden Bund und Länder ihre Verschuldung abbauen. Aus den Ländern war die Forderung gekommen, wegen der zu erwartenden Abschreibung am Erlös beteiligt zu werden.

Fest steht bislang nur, dass im Haushaltsentwurf für 2001 je 500 Millionen Mark für Verkehrsprojekte und zur Bafög-Reform reserviert sind. Über die drei weiteren frei werdenden Milliarden „werden wir sehr gründlich beraten“, erklärte Regierungssprecher Heye. Ob dabei auch Vorschläge der bisher so hilfreichen Experten diskutiert werden, war gestern nicht zu erfahren.